Gnade sei mit euch und Frieden von Gott unserem Vater und dem Herrn Jesus Christus. Amen.
Der Predigttext für den heutigen Sonntag steht bei Johannes im 2. Kapitel:
Und am dritten Tage war eine Hochzeit in Kana in Galiläa, und die Mutter Jesu war da.
Jesus aber und seine Jünger waren auch zur Hochzeit geladen.
Und als der Wein ausging, spricht die Mutter Jesu zu ihm: Sie haben keinen Wein mehr.
Jesus spricht zu ihr: Was geht’s dich an, Frau, was ich tue? Meine Stunde ist noch nicht gekommen.
Seine Mutter spricht zu den Dienern: Was er euch sagt, das tut.
Es standen aber dort sechs steinerne Wasserkrüge für die Reinigung nach jüdischer Sitte, und in jeden gingen zwei oder drei Maße.
Jesus spricht zu ihnen: Füllt die Wasserkrüge mit Wasser! Und sie füllten sie bis obenan.
Und er spricht zu ihnen: Schöpft nun und bringt’s dem Speisemeister! Und sie brachten’s ihm.
Als aber der Speisemeister den Wein kostete, der Wasser gewesen war, und nicht wußte, woher er kam – die Diener aber wußten’s, die das Wasser geschöpft hatten -, ruft der Speisemeister den Bräutigam und spricht zu ihm: Jedermann gibt zuerst den guten Wein und, wenn sie betrunken werden, den geringeren; du aber hast den guten Wein bis jetzt zurückbehalten.
Das ist das erste Zeichen, das Jesus tat, geschehen in Kana in Galiläa, und er offenbarte seine Herrlichkeit. Und seine Jünger glaubten an ihn.
Amen.
Sieben Fässer Wein können uns nicht gefährlich sein – Glaubt keinem Schlagersänger, liebe Schwestern und Brüder, schon gar nicht, wenn er davon singt, was wir uns wünschen!
Sieben Fässer, sieben Flaschen, sieben Gläser – manchmal können sogar sieben Schlückchen, sieben winzige Schlückchen, was sage ich: ein wönziger Schlöck gefährlich sein; gerade jetzt in der Pandemie, wenn wir Geselligkeit vermissen, Feiern und Feste absagen müssen – und unseren Schoppen alleine trinken.
Und dann so ein Predigttext; nach dem vernünftigen, nüchternen Gottesdienst in der letzten Woche – nun so viel Unvernunft aus dem Munde Jesu.
Wein in Mengen, Wein wie Wasser, Wein in Wasserkrügen, Öffentliches Betrinken!
Man muß sich, schon wundern, über Jesus und seinen Evangelisten Johannes, über ihren unbefangenen, ja leichtsinnigen Umgang mit Wein als alkoholischem Getränk.
Als geradezu jugendgefährdend kommt heute unser Text daher, wenn er ganz selbstverständlich vom Wein als geradezu notwendigem Begleiter eines Festes spricht, vom richtig viel Trinken, und vom betrunken werden.
Wie können wir unsere Jugendlichen und uns selbst davon überzeugen, dass das Vorglühen, das Komasaufen gefährlich und verwerflich sind – und eben nicht ein Problem der Jugend sondern eins der Gesellschaft, in der die Droge Alkohol allgegenwärtig, überall erhältlich und ihr Konsum für selbstverständlich genommen wird. Nicht der, der den Alkohol konsumiert, sondern der, der darauf verzichtet, muss sich auf Feiern rechtfertigen und wird als Spaßverderber angesehen, als irgendwie merkwürdig.
Manchmal liegt im Wein keine Wahrheit – oder nur die bittere Wahrheit über unsere Anfälligkeit gegenüber Süchten. Wir kriegen das nicht hin, einen verantwortungsvollen Umgang mit dem Alkohol, vor allem nicht gegenüber unseren Kindern. Aber wir kriegen das ja selbst oft nicht hin: Einen unschädlichen, verantwortungsvollen und doch genussvollen Umgang mit dem Genussmittel Alkohol, damit es nicht zum Suchtmittel werde. Wir alle schaffen das nicht immer für uns selbst und einige schaffen es gar nicht. Das ist die bittere Wahrheit des Weines.
Aber: Darum geht es in unserem Predigttext nicht.
Die andere, die süße Wahrheit besteht darin, dass der Wein seit buchstäblich Tausenden von Jahren zu menschlicher Kultur gehört; eben nicht zur Verrohung sondern zur Verfeinerung unserer Sitten. Wein ist ein Kulturgut erster Ordnung. Ein Stück mittelmeerischer Lebensart, das sogar in unseren rauen Klimaten gedeiht. Ein Geschenk der feinen Römer an uns barbarische Germanen; dolce vita vom Mittelmeer an rauen, winters schneeverwehten Mittelgebirgshängen; Toskana im Rheingau – nur wer die Sehnsucht kennt, was wir leiden!
Ein Getränk, das unserer Geselligkeit Glanz und Funkeln verleiht, unser Abendessen in eine Speise verwandelt und unsere Feste zu Erlebnissen macht.
Dabei lohnt sich bei allen Gelegenheiten die Frage, ob wir denn auch noch ohne Alkoholbegleitung uns mit Freunden treffen, ein gutes Essen genießen und fröhlich feiern können. Denn nur wer ohne Alkohol Spaß haben kann, kann das auch mit.
Nur der Verzicht gestattet auch Genuss.
Vielleicht fällt auch deshalb die Antwort Jesu gegenüber der Nachfrage seiner Mutter, dass kein Wein mehr sei, so barsch aus: Na und, der Wein ist alle, aber wir können eigentlich auch ohne fröhlich weiterfeiern.
Offensichtlich aber hat Jesus nach der ersten, zurückweisenden Reaktion doch noch der Bitte entsprochen und den Mangel beseitigt. Vielleicht taten ihm die Brautleute einfach leid, denen ihr großes Fest ruiniert zu werden drohte. Jedenfalls verwandelt Jesus in unserer Geschichte ganz diskret Wasser in Wein. Hauptsache: Das Fest ist gerettet.
Wie immer bei den biblischen Wundergeschichten ist die Neugier am vordergründigen physikalisch-chemischen Mirakel, an der scheinbaren Manipulation der Natur wenig ergiebig. Das Wunder lebt davon, dass es den Naturzusammenhang unterbricht und damit unsere Vorstellungen – wie auch die der Leute damals – auf den Kopf stellt. Das geht ja gar nicht sagen wir – und das werden die Leute damals in der Mehrheit auch so gedacht haben.
Aber die Bibel verwendet Wundertätigkeit nicht – oder nicht in erster Linie – um die Macht und Autorität des Wundertäters zu verherrlichen, sondern vielmehr um einen praktischen Mangel auszugleichen – wie bei Speisungs- und wie bei unserem Weinwunder – oder um einen tatsächlichen Defekt wiederherzustellen – wie bei den Krankenheilungen.
Im Wunder unterbricht Gott die Natur um sie wiederherzustellen. Im Wunder zeigt sich Gott als Schöpfer, in dem er zumindest teilweise und zeitweise die gute, anfängliche Schöpfungsordnung wiederherstellt. Das hört sich paradox an, weil Gott ja durch seinen Eingriff die Ordnung der Natur aufzuheben scheint.
Das ist aber nur scheinbar paradox.
Denn wichtig ist hier die Unterscheidung von Natur und Schöpfung; dass wir in der Natur eben nicht unmittelbar, nicht uneingeschränkt und nicht ohne Mängel Gottes gute Schöpfung erleben und erkennen. Gott greift im Wunder – gleichnishaft und beispielhaft – in die Natur ein um ein Stück Schöpfung wiederherzustellen.
Und wichtig ist vor allem die Beobachtung, dass es eben keine Wunder um ihrer selbst willen gibt, keine ausschließlichen Machtdemonstrationen, keine Wunder als göttliche Fingerübung oder göttliches Spiel – sondern Wunder immer und ausschließlich als Hilfe und Rettung.
Gerade für den Evangelisten Johannes gilt das, der seine Wunder Jesu konsequent Zeichen nennt und damit ihren Charakter als Gleichnis betont. In diesen Zeichen wird das Reich Gottes sichtbar – nur für einen kurzen Moment, nur an einem kleinen Beispiel, nur als Gleichnis; aber doch wirklich und doch so, dass man sich auf das Reich Gottes freuen kann. Es wird eine Zeit kommen und Gott wird sie herbeiführen, in der die ursprüngliche Gottesgegenwart wiederhergestellt ist, in der kein Mangel – aber auch keine Verschwendung herrscht -, in der Menschen und Natur miteinander versöhnt sind.
Das ist der Sinn der Wundergeschichten und ganz besonders der Zeichen des Johannesevangeliums, dass in ihnen das Reich Gottes als Gleichnis sichtbar wird.
Wie aber und auf welche Weise wird das Reich Gottes im Weinwunder bei der Hochzeit zu Kana sichtbar?
Haben wir uns das Jenseits als immerwährende Hochzeitsfeier zu denken; als Land in dem nicht nur Milch und Honig sondern auch Wein und Bier fließen. Natürlich nicht.
Aber tatsächlich kennt die Bibel an vielen Stellen Festmahl und Feier, gerade auch eine Hochzeitsfeier als Bild für Gottes Reich und Ewigkeit. Nicht zuletzt ist uns ja auch die Feier des Heiligen Abendmahl ein Gleichnis der endgültigen Gemeinschaft von Gott und Mensch. Im Bild der Hochzeitsfeier verdichtet sich unsere Hoffnung nach Gemeinschaft, nach Liebe und Weitergabe des Lebens.
Dabei sind Fest und Feier in dieser Welt Ausnahmezeiten, sind Unterbrechungen des Alltags, sind Hoch-Zeiten des Gefühls und der Geselligkeit, sind damit auch Kraftquellen für die normaleren Phasen – auch die Krisenzeiten – unseres Lebens. Gerade in den Festen, mit denen wir runde Geburtstage oder Familienereignisse feiern, bündelt sich unser Leben und unsere Lebensfreude.
Außerdem: Einzelne besondere Festzeiten bewahren uns davor, uns ganz in unserer Partyseligkeit zu verlieren; unsere Sehnsüchte und Süchte in unser ganzes Leben zu tragen.
Ich bin froh über unsere Wundergeschichte; über diesen Jesus, der bei einer Hochzeitsfeier erscheint – wir haben ja Epiphanias, sein Erscheinungsfest – und mit uns also nicht nur die Leiden sondern auch die Freuden teilt.
Ich bin froh, dass wir uns unsere Feiern nicht als gottlose Veranstaltungen denken müssen. Dass wir sicher sein können, dass Gott auch da ist, wenn wir uns freuen und ausgelassen und glücklich sind – und wieder sein werden.
Und ich bin dem Johannes dankbar, dass er mich darüber nachdenken lässt, was für mich gut und was des Guten zuviel ist. Dass er keine Verbote aufstellt, keine Trinkregeln verfasst, die doch nur zum Übertreten verführen; sondern dass er Gottes großzügiges Angebot schöpferischer Fülle darstellt und mich damit anregt und auffordert, mein eigens Maß zu finden.
Gott jedenfalls meint es gut mit mir – ich hoffentlich auch!
Amen.
Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.