500 Jahre Lutherbibel (1552-2022)

Vor ziemlich genau 500 Jahren – im Winter 1521/22 – sitzt Martin Luther in seinem Kämmerchen auf der Wartburg und übersetzt das Neue Testament. Ein halbes Jahr später kommt das Werk nach zahlreichen Korrekturen und Revisionen auch zusammen mit anderen als „Septembertestament“ heraus und sorgt für Furore – nicht nur auf dem gerade sich herausbildenden Buchmarkt und nicht nur als Fanal der Reformation. Bis heute ist die daraus mit den Jahren entstandene „Lutherbibel“ ein epochales Ereignis und definiert mehr als alles andere, was „evangelisch“ heißt: Glauben aus dem Wort Gottes der Bibel, die allen zugänglich und verständlich ist – grundsätzlich auch ohne Vermittlung kirchlicher Profis, aber doch im Austausch mit anderen (d.h. „Gemeinde“). Denn die Bibel drängt selbst zu Kommunikation, zum „Bibelgespräch“, wie es viele Gemeinden, auch unsere, immer noch pflegen, oft genug in der Version Luthers.

Geradezu „un-evangelisch“ kann einem die Anhänglichkeit an diese alte und manchmal altertümlich klingende Übersetzung vorkommen, da sie (lutherische) „Tradition“ vor „Schrift“ (im Original) zu stellen scheint, selbst wenn jene nicht mehr dem heutigen Sprachgebrauch entsprechen sollte. Typisch protestantische Gegenmittel gegen mögliche Erstarrung in der Tradition sind aber zum einen die Revisionen der Lutherbibel, deren vorerst (aber sicher nicht die) letzte 2017 herausgekommen ist und die sich um Korrekturen und behutsame Anpassung bemühen; und andererseits der Pluralismus hervorragender Übersetzungen, die heutzutage per Internet nur einen Mausklick entfernt sind (viele davon bequem etwa unter die-bibel.de der Deutschen Bibelgesellschaft). Da erschließt sich auch sofort der Grund für die mehr als nur sentimentale Anhänglichkeit über die Jahrhunderte: Luthers Übersetzung ist durchweg und meistens die schönste. Deshalb: nimm und lies, vergleiche und wähle! Das können wir leicht selbst – nicht zuletzt durch das Ereignis „Lutherbibel“, das vor 500 Jahren begann.

Klaus Neumann

Gedenkjahr – Dietrich Bonhoeffer (1906-1945)

Vor 75 Jahren ist Dietrich Bonhoeffer am 9. April 1945 nach langer Haft von den Nazis als Widerständler und Mitverschwörer des 20. Juli 1944 im Konzentrationslager Flossenbürg hingerichtet worden – wenige Tage vor Kriegsende. Wie kein anderer evangelischer Theologe des vergangenen Jahrhunderts hat Bonhoeffer durch sein Werk – und mehr noch durch sein Leben – Kirche und Theologie, aber auch die öffentliche Erinnerung an die Naziherrschaft geprägt. Wenn es einen evangelischen Märtyrer und „Heiligen“ gibt, dann Bonhoeffer. Als solcher ist er z.B. auf dem Portal der Westminster Abbey in London mit anderen Glaubenszeugen unterschiedlicher Nationen und Konfessionen abgebildet, so wie auf zahlreichen Denkmälern überall. Aber auch sein Werk, das für seine wenigen Lebens- und Schaffensjahre erstaunlich umfangreich ist, beinhaltet wichtige Stichworte und Anstöße bis heute, ohne dass man sagen könnte, dass die Kirche ihm gefolgt wäre. Ihm gelingen Wendungen, die noch heute im Ohr klingen: Dem Rad in die Speichen fallen, damit meint Bonhoeffer Recht und Pflicht des christlichen Widerstands gegen staatliches Unrecht, wenn kirchliche Kritik daran wirkungslos und praktische Hilfe für „die unter das Rad“ Gefallenen erschöpft und vergeblich sind.

Nur wer für die Juden schreit, darf gregorianisch singen hat er seinen Vikaren in der Ausbildung der Bekennenden Kirche eingeschärft als erster und lange Zeit einziger deutscher Theologe, der sich gegen das nationalsozialistische Unrecht an den Juden wandte.

Kirche für andere war für Bonhoeffer die einzig wahre und mögliche Kirche, d.h. eine Kirche, die sich nicht um sich selbst dreht und mit sich selbst beschäftigt, sondern sich in der Nachfolge Jesu um die „Mühseligen und Beladenen“ kümmert und dazu konsequent auf eigenen Besitz und Sicherheit verzichtet.

Religionsloses Christentum wendet seine Idee von der „Kirche für andere“ auf theologische Grundsatzfragen an: Auch die Theologie hat den überkommenen Besitz und Ballast religiöser Sondersprache aufzugeben, um in einer säkularen Umwelt gehört zu werden und sich ganz ihrer Aufgabe zu widmen, den Glauben an Jesus Christus weiterzugeben.

Billige und teure Gnade unterscheidet ebenfalls theologisch zwischen menschengemachten Wunschvorstellungen von Gott („dem lieben Gott“, der uns alle gleich lieb hat, dem wir aber auch gleichgültig wären und der uns letztlich auch gleichgültig ist) und der Wirklichkeit Gottes (dem fordernden Gott, der uns zu Jesus am Kreuz stellt, aber uns auch dort zu halten und retten vermag).

Und in seinem Lied Von guten Mächten wunderbar geborgen trifft er einen Ton, der uns trösten kann. Er hat es 1944 im Gefängnis in der Haftanstalt Tegel in Berlin verfasst.

Von guten Mächten wunderbar geborgen,
erwarten wir getrost, was kommen mag.
Gott ist bei uns am Abend und am Morgen
und ganz gewiß an jedem neuen Tag.

Klaus Neumann

Als Treffpunkt Theologie digital diskutieren wir gegenwärtig Bonhoeffer-Texte. Wer mitmachen will, melde sich bei: Neumann-klausphilipp@t-online.de
Bildquelle: https://www.dietrich-bonhoeffer.net