Text·Schrift·Bild

Kalligraphische Interpretationen des Schriftkünstlers Gottfried Pott

Kunstausstellung in der Thomaskirche vom 6.9. bis 29.9.2019

Vernissage am Fr., 6.9., um 18.30 Uhr in Anwesenheit des Künstlers im Rahmen der Nacht der Kirchen. Grußwort: Felicitas Reusch, Kunstarche Wiesbaden e.V.

Öffnungszeiten: Fr, 6.9., 18.30-22.30 Uhr; So, 8.9. ganztägig, So, 15. u. 22.9.: je 9.30-10 u. 11-12 Uhr, So, 29.9. 9.30-10 u. 14-19 Uhr sowie nach Vereinbarung unter 0162.7474131. Der Eintritt ist frei. Parkplätze sind vorhanden.

Interview mit Gottfried Pott:

Wassily Kandinsky hat einmal gesagt: „Buchstaben sind praktische und nützliche Zeichen, aber ebenso reine Form und innere Melodie.“ Herr Pott, Sie zählen zu den wichtigsten Schriftkünstlern unserer Tage. Stimmt es, dass Sie anfangs Musiker werden wollten?

Ich war lange hin- und hergerissen zwischen Musik und Bildender Kunst. Von meinem Vater, der als Autodidakt ein sehr begabter Organist und Künstler war, hatte ich die Inspiration. Ich habe zwar an der Orgel die C- und D-Prüfung gemacht, fand dann aber Gott sei Dank an der Werkkunstschule Wiesbaden das Richtige für mich. Ja, Kandinsky spricht von „Form“ und „Melodie“ der Schrift. Das heißt, wenn jemand einen Ton bildet, z.B. auf der Geige oder mit der Stimme, moduliert er diesen gleichzeitig – im Unterschied zu einem künstlich erzeugten Ton. Durch die Obertonreihe bekommt der Ton sein Volumen und seinen Klang. Wenn ich die Feder ansetze, entsteht durch Druck und Modulation der Feder eine variationsreiche Darbietung im Strich. Tonbildung und Strichbildung – das ist eine Parallele zwischen Musik und Schrift.

Was bedeuten einem Kalligraphen die 26 Buchstaben unseres Alphabets? 

Schrift kommt aus einem Bild und wird zu einem Bild. Unser A, das Aleph, geht z.B. auf das phönizische A zurück, einen umgedrehten Stierkopf. Unser Alphabet ist ein unerschöpflicher, von anderen Kulturen viel bewunderter Reichtum. Denn mit nur 26 Zeichen können wir alles ausdrücken, was wir denken. 

 Die Chinesen etwa brauchen durch die piktographische Schrift Tausende von Zeichen. Kalligraphie kann aber noch mehr. „Wenn Dichtung die Gefühle des Herzens nicht mehr auszudrücken vermag, fließen sie in Kalligraphie über und werden in Bilder verwandelt.“ So bringt es der Zen-Meister Zhao Mengfu auf den Punkt.

Das Blatt „Musika“ bezieht sich auf Martin Luthers Predigt über den 33. Psalm, er preist darin die Musik. Verraten Sie, wie Sie bei der Arbeit vorgegangen sind?

Ja, gerne. Den Schriftzug „Musika“, der in mehreren Bewegungen und verschiedenen „Farb-Tönen“ vorkommt, habe ich mit einer eigens hergestellten Ziehfeder geschrieben. Die Schrift Bastarda, ein Vorläufer der Fraktur-Schrift, greift auf die Luther-Zeit zurück und wird hier im Text neu interpretiert. Ich verrate Ihnen zwei Werkstattgeheimnisse: Der nebulöse Untergrund wurde nicht etwa aquarelliert: die chinesische Tusche wurde auf nasses Büttenpapier aufgetragen und hat sich in feinsten Abstufungen ihren eigenen Weg gesucht. Erst nach dem Trocknen kam der eigentliche Text. Und das Wort „Musika“ erscheint so strahlend weiß, weißer als das Papier mit seinen unmerklichen Tonwerten, weil ich es zuvor mit einem unsichtbaren Maskierfilm aufgetragen und dann abgerieben habe… Übrigens finden Sie unter den 24 Blättern der Ausstellung auch eines zu Luthers bedeutendem Text über das Schreiben: „Drei Finger halten die Feder, und der ganze Leib ist daran beteiligt.“

Interview: Anne Sophie Meine

Weitere Informationen zum Künstler finden Sie unter http://www.pott-design.de