Predigttext für den 12. Sonntag nach Trinitatis, 30. August 2020

Denn wir sind Gottes Mitarbeiter; ihr seid Gottes Ackerfeld und Gottes Bau. Nach Gottes Gnade, die mir gegeben ist, habe ich den Grund gelegt als ein weiser Baumeister; ein anderer baut darauf. Ein jeder aber sehe zu, wie er darauf baut. Einen andern Grund kann niemand legen außer dem, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus. Wenn aber jemand auf den Grund baut Gold, Silber, Edelsteine, Holz, Heu, Stroh, so wird das Werk eines jeden offenbar werden. Der Tag des Gerichts wird es ans Licht bringen; denn mit Feuer wird er sich offenbaren. Und von welcher Art eines jeden Werk ist, wird das Feuer erweisen. Wird jemandes Werk bleiben, das er darauf gebaut hat, so wird er Lohn empfangen. Wird aber jemandes Werk verbrennen, so wird er Schaden leiden; er selbst aber wird gerettet werden, doch so wie durchs Feuer hindurch. Wisst ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnt? Wenn jemand den Tempel Gottes zerstört, den wird Gott zerstören, denn der Tempel Gottes ist heilig – der seid ihr. (Brief des Paulus an die Korinther 3, 9-17)

Wer nach Fundamenten fragt ist noch kein Fundamentalist. Und wer von der reinigenden, prüfenden Kraft des Feuers spricht, ist noch kein Brandstifter.

Aber es sind doch missverständliche und bisweilen sogar gefährliche Redeweisen – insbesondere im Blick auf das, was wir am Wochenende erleben mussten: Fundamentalisten und Brandstifter proben den Aufstand. Über den Aufstand der Idioten könnte man lachen – und vielleicht lachen wir ja in ein paar Monaten darüber – aber das Lachen bleibt einem im Moment noch im Halse stecken. Zu gefährlich ist das, was sie tun – unmittelbar für sich selbst und für uns alle, die wir alle immer noch und für eine ganze Weile auf Schutzmaßnahmen angewiesen sind und sein werden. Und gefährlich ist es obendrein weil Rechtsradikale und Rechtsextreme sich von den Idiotenaufständen angezogen fühlen wie die Fliegen von der Scheiße. Unruhe stiften, Unruhe verbreiten, Unruhe nutzen – das ist genau ihre Strategie, damit man am Ende sagen kann: die lauwarmen Liberalen kriegen das nicht hin mit Recht und Ordnung, wir brauchen was Stärkeres.

Natürlich bezieht sich unser Paulustext nicht zuerst auf unsere gesellschaftliche Problemlage, sondern auf die christliche Gemeinde und auf religiöse Fragen. Die sind aber nicht unähnlich. Auch hier ist es nicht ungefährlich von Fundamenten und vom Feuer zu reden; man will ja nicht als Fundamentalist – also als einer mit den einzig richtigen Antworten auf alle Probleme – gehört werden, und auch nicht als Brandstifter, der mit Gewalt, der zumindest mit gewalttätiger Sprache stört und zerstört , was Generationen aufgebaut haben. Diese fundamentalistischen Zündler und Feuerköpfe gibt es auch in den Kirchen, sogar bei uns und nicht nur in Amerika, aber durchweg eher in freikirchlichen oder sogar sektenartigen Gemeinschaften – da sollen sie bleiben!

Aber: Trotzdem ist das eine berechtigte Frage, die nach den Grundlagen unserer Kirche; und es ist ein berechtigtes Anliegen, Einrichtungen der Kirche zu prüfen – das ist ja mit dem Bild des Feuers gemeint. Was hat Bestand? Was entspricht der ursprünglichen Idee und Stiftung unseres Glaubens? Was kann weg? Das sind im eigentlichen Sinne kirchenleitende Fragen und die Arbeit daran die wesentliche Aufgabe einer Kirchenleitung, zu der wir – als evangelische Christen – allesamt gehören.

Paulus selbst hat sich an diesen Fragen zeitlebens abgearbeitet: Eine seiner wichtigsten Antworten zur ursprünglichen Idee unseres Glaubens steht in einem anderen Brief von ihm, dem Römerbrief: „So halten wir nun dafür, dass der Mensch gerecht wird ohne des Gesetzes Werke, allein durch Glauben.“ (Römer 3,28) Mit dieser Konzentration auf den Glauben erübrigt sich keineswegs die Frage nach unserem Handeln. Vielmehr nimmt er sie immer auf und auch die Pointe unseres heutigen Textes zielt darauf: Wisst ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnt? Wenn jemand den Tempel Gottes zerstört, den wird Gott zerstören, denn der Tempel Gottes ist heilig – der seid ihr.

Jede und jede allein und alle gemeinsam sind wir Tempel Gottes, in denen der Geist Gottes wohnt. Was für ein großartiger Gedanke mit ganz weitreichenden Konsequenzen. Wie wir gemeinsam miteinander umgehen hat direkte Auswirkungen auf Gott – er wohnt ja in uns. Wie wir uns halten, pflegen und verhalten hat direkte Auswirkungen auf Gott – er wohnt ja in uns. Nicht wir sind die Autoren und Gesetzgeber unserer selbst – sondern Gott. Die Vorstellung von uns als Tempel Gottes verbietet Selbstzerstörung und Selbstverstümmelung.

Diese Glaubensvorstellung ist auch auf mein Gegenüber anzuwenden; sie beinhaltet nicht unbedingt eine Toleranz, die den anderen aufgibt, auch Selbstaufgabe sein erklärter Wunsch und Wille sein mag. Gerade weil diese Glaubensvorstellung im Gegner, also auch im politischen Gegner, Gottes Tempel wahrnimmt und anerkennt, lässt sie ihm nicht alles durchgehen. Der Spinner hat nicht jedes Recht auf Spinnerei, wenn er damit sich selbst und andere gefährdet. Aber jeder Spinner hat das Recht, als Gottes Tempel wahrgenommen und darauf angesprochen zu werden. Auch ihm wie uns gilt das Wort aus der Bibel:

„Ich danke dir – Gott – dafür, dass ich wunderbar gemacht bin; wunderbar sind deine Werke; das erkennt meine Seele.“ (Psalm 139,14)