Ihr sät viel und bringt wenig ein; ihr esst und werdet doch nicht satt; ihr trinkt und bleibt doch durstig; ihr kleidet euch und keinem wird warm; und wer Geld verdient, der legt’s in einen löchrigen Beutel. (Buch des Propheten Haggai 1, 6; Monatsspruch für den Monat September 2021)
Hiermit gestehe ich, dass ich gelegentlich eine Filiale einer Fastfoodkette aufsuche, um dort – möglichst vom Autoschalter aus – einen Hamburger (oder auch zwei) klammheimlich zu verspeisen. Mir schmeckts und ich schätze, dass ich mit diesen Ausflügen ein Kindheitstrauma verarbeite, da sich meine Eltern – Gott hab sie selig! – lange geweigert haben, Kostgeld für Junkfood zu verteilen, geschweige denn mit uns dorthin zu gehen, wo es das gibt. Heute ist es umgekehrt: zumindest meine beiden Jüngsten muss ich zu solchen kulinarischen Fehltritten überreden und versprechen, am nächsten Tag wieder selbst zu kochen. Aber bei aller verschämter Liebe zum BigMäc, sie wird nicht erwidert: man isst und wird doch nicht satt.
Haggai, der Prophet, trifft also einen wahren und wunden Punkt und es überrascht höchstens, dass einer schon vor 2500 Jahren davon spricht. Es gibt Nahrung und Getränke, die einen hungrig und durstig lassen, Kleidung, „Fast Fashion“, die einen nicht wärmt, Verschwendung, die arm macht; also insgesamt einen Lebensstil, der mehr verbraucht, und ohne dass uns das guttäte. Darauf aufmerksam zu machen wie unser Prophet Haggai und wie so viele Propheten unserer Zeit in den Initiativen und Aktionen gegen übermäßigen und zerstörerischen Konsum der natürlichen Ressourcen – darauf aufmerksam zu machen, heißt: „Nachhaltigkeit“ zu fordern.
„Nachhaltigkeit“ macht sich als Modewort verdächtig (fraglich ist allein schon, wie nachhaltig diese neue Vokabel unser Leben kommentieren wird und korrigieren kann) und wir würden es als Vokabel vergeblich in der Bibel suchen. Die von ihr gemeinte Sache finden wir aber durchaus und durchweg: „Solange die Erde steht, sollen nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.“ (1. Mose 8, 22). Gott selbst verpflichtet sich und uns auf Erhaltung und Bewahrung der Schöpfung, auf Nachhaltigkeit in ihrem umfassendsten Sinne. Es geht immer darum, vom Ganzen (vom „Ökosystem“, wie man früher in meiner Jugend gesagt hat) her zu denken, um es insgesamt und alles, was darinnen ist, und damit auch uns, zu schonen und zu erhalten, vielleicht so: ein gesunder Geist in einem gesunden Körper eines gesunden Menschen in einer gesunden Welt. Umgekehrt werden wir nicht lange (über)leben können in einer zerstörten Umwelt – wie uns nicht erst dieser Sommer der Wasserfluten und Feuerstürme gezeigt hat.
„Nachhaltig“ kann so vieles heißen: Dass ein Butterbrot, und was anderes ist ein Sandwich mit Fleischklops eigentlich nicht, sättigt; dass ich die Zutaten vom Sonntagsessen auch mal in der Region und nach der Jahreszeit zusammensuche; dass die Erholung nicht erst Flugstunden entfernt, sondern in ein paar Minuten im Wald beginnt; dass ich unseren Stadtwald, um den uns jeder Besucher beneidet, nicht oder nicht nur als Sportparcours gebrauche, in dem Wildtiere keine Ruhe mehr finden oder dass ich hundertjährige Bäume in ein paar Jahren nicht aus Spaß kaputtklettere (und wem meine Beispiele nicht einleuchten, findet eigene und bessere!).
Und nicht nur die naheliegenden, sondern alle Lebensbereiche – Kleidung, Wohnung, Verkehr, Kommunikation, Arbeit, Hausbau (nachwachsende Baustoffe, siehe unten!): alle Lebensbereiche könnten von der Prüfung auf Nachhaltigkeit profitieren: Brauche ich das, was ich verbrauche? Behandle ich die Sachen nach ihrem Wert? Kann und soll ich mir das leisten, was ich da will? Ist für Kinder und Kindeskinder noch was übrig?
Vom besonderen Wert der Nachhaltigkeit weiß die Bibel und unser Prophet. Der setzt seine Mahnung mit einer Verheißung fort: Achtet doch darauf, wie es euch geht! Geht hin auf das Gebirge und holt Holz und baut das Haus! Und ich will Wohlgefallen daran haben und will meine Herrlichkeit erweisen, spricht der Herr. (Haggai 1, 7f)
Klaus Neumann, Pfarrer