Vor ziemlich genau 500 Jahren – im Winter 1521/22 – sitzt Martin Luther in seinem Kämmerchen auf der Wartburg und übersetzt das Neue Testament. Ein halbes Jahr später kommt das Werk nach zahlreichen Korrekturen und Revisionen auch zusammen mit anderen als „Septembertestament“ heraus und sorgt für Furore – nicht nur auf dem gerade sich herausbildenden Buchmarkt und nicht nur als Fanal der Reformation. Bis heute ist die daraus mit den Jahren entstandene „Lutherbibel“ ein epochales Ereignis und definiert mehr als alles andere, was „evangelisch“ heißt: Glauben aus dem Wort Gottes der Bibel, die allen zugänglich und verständlich ist – grundsätzlich auch ohne Vermittlung kirchlicher Profis, aber doch im Austausch mit anderen (d.h. „Gemeinde“). Denn die Bibel drängt selbst zu Kommunikation, zum „Bibelgespräch“, wie es viele Gemeinden, auch unsere, immer noch pflegen, oft genug in der Version Luthers.
Geradezu „un-evangelisch“ kann einem die Anhänglichkeit an diese alte und manchmal altertümlich klingende Übersetzung vorkommen, da sie (lutherische) „Tradition“ vor „Schrift“ (im Original) zu stellen scheint, selbst wenn jene nicht mehr dem heutigen Sprachgebrauch entsprechen sollte. Typisch protestantische Gegenmittel gegen mögliche Erstarrung in der Tradition sind aber zum einen die Revisionen der Lutherbibel, deren vorerst (aber sicher nicht die) letzte 2017 herausgekommen ist und die sich um Korrekturen und behutsame Anpassung bemühen; und andererseits der Pluralismus hervorragender Übersetzungen, die heutzutage per Internet nur einen Mausklick entfernt sind (viele davon bequem etwa unter die-bibel.de der Deutschen Bibelgesellschaft). Da erschließt sich auch sofort der Grund für die mehr als nur sentimentale Anhänglichkeit über die Jahrhunderte: Luthers Übersetzung ist durchweg und meistens die schönste. Deshalb: nimm und lies, vergleiche und wähle! Das können wir leicht selbst – nicht zuletzt durch das Ereignis „Lutherbibel“, das vor 500 Jahren begann.
Klaus Neumann