„Gott ist ein glühender Backofen voller Liebe, der da reicht von der Erde bis zum Himmel“, was der Autor, Martin Luther, vor ziemlich genau 500 Jahren (in seiner Predigt am 7. Tag nach dem Sonntag Invokavit, am 15. März 1522), vielleicht nicht ganz so überschwänglich ausgesprochen hätte in einem backheißen Sommer wie diesem. Er selbst und seine Zeitgenossen des 16. Jahrhunderts hatten eher mit dem Gegenteil, einer sogenannten „kleinen Eiszeit“ zu kämpfen, die aber ebenfalls Missernten und Not mit sich brachte; und die übrigens genau wie unsere Klimaprobleme heute die Menschen als widernatürlich empfanden. Nur dass damals der Teufel und seine Leute verantwortlich gemacht wurden und heute wir höchstpersönlich und selbst dafür verantwortlich sind.
Vielleicht hat der Autor, der nämlich gerade in seiner Predigt über das Abendmahl nachdachte, den Duft seines Abendessens in der Nase gehabt: einen leckeren Auflauf, eine raffinierte Pastete, ein üppiges Brathähnchen, wer weiß? Vielleicht hat er sich auch an die Aromen der Küche seiner Kindheit erinnert, an köstliche Kuchen von Mutter oder Großmutter, wie sie auch uns träumend nun nicht mehr in die Nase, aber in den Kopf steigen: ach, dieser Apfelkuchen! Vielleicht hatte er auch nur einfach Kohldampf; wofür einiges spricht, da seinerzeit die Kartoffel noch nicht über den Atlantik gesetzt hatte und Fleisch ein seltener Festschmaus war.
Den glühenden Backofen ohne Backduft zu denken, verbietet sich schon aus Gründen der Energieeffizienz. An kalten Tagen war ein solcher Backofen die einzige Heizung und machte die Küche zum Mittelpunkt der Wohnung. Noch lange konnte man – wie mein lieber Vater, Gott hab ihn selig, es getan hat – vom Kanonenofen der Kindheit schwärmen, um den sich an Wintertagen die Familie versammelte, dem Knistern und Knastern von Holz und Kohle zuhörte, was ja nicht selten Unterhaltung genug ist. Der nur dem Namen nach kriegerische Ofen war mit seiner abstrahlenden Wärme ein Bild des Friedens, des Wohlbehagens, der Geselligkeit und des Schutzes. Wie wird es sein, wenn wir uns womöglich im nächsten Winter um die gerade noch hastig zusammengekauften Ölradiatoren und Heizlüfter sammeln und Wärme suchen?
Gott strahlt seine Liebesenergie in die Welt hinaus. Das zu bedenken, löst zunächst keins unserer aktuellen Probleme, aber es stellt sie in ein anderes Licht. Der Mensch lebt nicht von Holz und Kohle, nicht von Atom, Gas oder Wind allein, sondern von der wie ein glühender Backofen ausstrahlenden Liebe Gottes. In der zitierten Predigt Luthers geht es um das Abendmahl als Zeichen dieser grenzenlosen, überschwänglichen Liebe Gottes – und mehr noch darum, diese Liebe unter den Menschen auszubreiten, also Gemeinschaft zu suchen, gegenseitig zu helfen, Gott im Angesicht des Nächsten zu erblicken.
Not stresst, Mangel kann entzweien, wissen wir und haben wir zuletzt mit Corona und in unserer Reaktion auf den schrecklichen Krieg in der Ukraine erlebt; Mangel und Not können aber auch Impulse zur Solidarität geben, Energien der Hilfe freisetzen; auch das haben wir in den jüngsten Krisen erfahren. Darum soll es gehen, wenn wir die Liebe Gottes spüren, dass wir sie weitergeben. Wie das am besten geht, müssen wir jeder selbst herausfinden, aber wir wissen es ja auch schon. Ich für meinen Teil habe vor, mich noch mehr als bisher an Herd und Ofen zu stellen und von dort aus Gemeinschaft zu pflegen. Es muss ja nicht jeder sein eigenes Süppchen kochen. Auch aus unserem Backofen kann zwischen den herüberwehenden Aromen von Kohl und Wurzeln die Liebe Gottes strahlen: „Schmecket und sehet, wie freundlich der Herr ist“ (Psalm 34,9)
Klaus Neumann, Pfarrer der Thomasgemeinde