Die Zweiundsiebzig aber kamen zurück voll Freude und sprachen: Herr, auch die Dämonen sind uns untertan in deinem Namen. Er sprach aber zu ihnen: Ich sah den Satan vom Himmel fallen wie einen Blitz. Seht, ich habe euch Macht gegeben, zu treten auf Schlangen und Skorpione, und Macht über alle Gewalt des Feindes; und nichts wird euch schaden. Doch darüber freut euch nicht, dass euch die Geister untertan sind. Freut euch aber, dass eure Namen im Himmel geschrieben sind. (Lukas 10, 17-20)
Einen starken Engel wünsche ich mir. Einen starken Engel, der mich gegen Gewalt aller Art in mir und außer mir schützt, der mich gegen Gewalt von Schlangen und Skorpionen beschützt, gegen Blitz und Donner, gegen den Satan selbst beschützen kann; und der mir so den Himmel befreit. So wie der starke Engel Michael, auf den auch unser kleines Textstück anspielt; auf den Engelskampf nämlich, den Michael gegen Satan und alle Teufel dieser Erde und dieses Himmels kämpft und besteht, für uns besteht:
„Und es entbrannte ein Kampf im Himmel: Michael und seine Engel kämpften gegen den Drachen. Und der Drache kämpfte und seine Engel, und er siegte nicht, und ihre Stätte wurde nicht mehr gefunden im Himmel. Und es wurde hinausgeworfen der große Drache, die alte Schlange, die da heißt: Teufel und Satan, der die ganze Welt verführt. Er wurde auf die Erde geworfen, und seine Engel wurden mit ihm dahin geworfen.“ (Offenbarung des Johannes 12,7-9)
So sieht es der Seher Johannes und so schreibt dann der Evangelist vom starken Engel Michael, so wie ich ihn mir wünsche.
Und so wie wir ihn heute gemalt vor uns sehen, den starken Engel, die starken Engel, drei in eins und eins in drei (wir kennen das), wie ihn unsere liebe Nachbarin und Künstlerin Erika Fröhlich gesehen und für uns gemalt hat, in starken Farben. Lassen Sie ihn uns ein paar Minuten betrachten, jeder für sich und bedenken, was wir uns von diesem Engel wünschen würden … (Musik)

Ein starker Engel für mich, drei starke Engel (Nein, nicht die drei Engel!), drei in einem und einer in dreien, dreifach kraftvoll, kraftvoll farbig, die das in ihrer Mitte beschützen und stärken; die sich in Bewegung setzen, voller Bewegung sind und in das Licht streben, ihrer Mitte und ihrem Ziel entgegen. Das Dunkel ist überwunden, von dem wir alle wissen und von dem auch die Bibel weiß und spricht und nicht schweigt; das ganze Satans- und Teufelspack auf der ganzen Welt, dazu Blitz und Donner, Schlangen und Skorpione, die teuflischen Mächte und der ganze satanische Rest überall, außer uns und in uns selbst. Wir werden die nicht beherrschen. Aber Gott sendet uns starke Engel, seinen starken Engel Michael, uns zu gut, uns den Himmel zu befreien: Freut euch aber, dass eure Namen im Himmel geschrieben sind.
Diesen starken Engel sollen wir uns gefallen lassen, damit wir uns nicht alles gefallen lassen müssen. Denn dieser Engel lässt sich nicht alles gefallen. Was mich übrigens an einen guten Schüler, aufgeweckten Konfirmanden und netten Nachbarn erinnert, der nach einer ausführlichen Unterrichtseinheit über die Bergpredigt – „Du sollst deinen Feind lieben, wie dich selbst. Wenn dich einer auf die rechte Backe haut, halte auch die linke hin. Selig sind die Friedfertigen“ – dieser Schüler, der wie wir alle diese Lektion aus der Bergpredigt durchaus nötig hatte, also antwortet auf die Frage an die Klasse, was denn nun das wichtigste Gebot sei, dass uns Jesus von Gott weitersagt und dass auch für uns wichtig sein soll; auf diese Frage antwortet er: „Sich nicht alles gefallen lassen.“ Oje! Das kann selbst den liberalsten Religionslehrer, der meistens noch die abwegigsten Antworten zurechtbiegt, aus der Reserve locken, aber wie wäre denn dieses: „Sich nicht alles gefallen lassen“ zu retten? Damals gar nicht. Damals habe ich nur gestaunt und wie so oft am Sinn meiner Unterrichtsbemühungen gezweifelt.
Heute bin ich etwas klüger; denn weder der starke Engel, dem wir heute begegnen, noch Jesus selbst, in dessen Namen und Auftrag dieser Engel handelt, lässt sich alles gefallen. In seltenen Momenten schmeißt ein ungehaltener Jesus die Händler aus dem Tempel, beschimpft seine Gegner als Schlangen und Otterngezücht (was nicht nett ist!), fährt seine Jünger an, weist seine Familie, seine Mutter zumal, zurecht. Nicht weil wir uns das selbst zur Regel machen sollten, sondern weil er sich eben nicht alles gefallen lässt und man sich nicht alles gefallen lassen muss.
Dabei hat doch Jesus so viel an sich geschehen lassen: Spott, Leid und Tod; und leidet noch heute im Leiden der Menschen mit. Und wir sollen nicht so tun, dass das Gottes Willen wäre, was da an Scheußlichkeiten geschieht – und ja doch auch unbegreiflicherweise für uns aus seinem Willen heraus – doch und trotzdem mit und gegen seinen Willen – geschieht. Als ob Gott selbst mit sich in Streit geraten wäre, als ob es einen Streit im Himmel selbst geben würde: Nemo contra deum nisi deus ipse, Niemand gegen Gott, wenn nicht Gott selbst, wie die großen Theologen dieses unlösbare Rätsel, zumindest in klaren Gedanken unlösbare Paradox – nun nicht lösen – aber auf den Punkt zu bringen versuchen. Niemand gegen Gott, wenn nicht Gott selbst. Als ob es einen Streit in Gott, im Himmel geben könnte.
Aber genau davon ist ja nun heute die Rede: „Und es entbrannte ein Streit im Himmel“, den Michael gegen Satan stellvertretend für Gott auf der einen und für uns Menschen auf der anderen Seite austrägt. Als großes Weltgemälde zeichnet uns das der Seher Johannes und nach seinem Bild der Evangelist Lukas – übrigens als einziger der vier Evangelisten, so ferne und so heikel ist ihnen dieses Bild – aber er zeichnet und malt damit ein Geschehen, das kaum in Worte zu fassen ist: Dass sich Gott selbst nicht alles gefallen lässt. Dass ein Streit im Himmel entbrennt.
Als seinen Stellvertreter schickt Gott seinen starken Engel Michael in den Kampf („Auf in den Kampf!“) gegen seinen stärksten Widersacher – und: lässt ihn siegen! Im Himmel zuerst kämpfen und siegen, damit dieser frei werde, auch für uns; aber eben auch bei uns auf dieser schönen Erde frei von Schlangen und Skorpionen und dem Otterngezücht, das schon Jesus geplagt hat, damit diese Erde wahrhaft schön wieder werde.
Ich will in den drei Engeln von Erika Fröhlich auch die auf die Erde kehrende kraftvolle Schar des Michael erkennen, wie sie aus dem Licht – aus dem neu Licht gewordenen Himmel – auf die Erde kommt uns zur Stärke und Hilfe, wie wir das zu Konfirmation auch unseren Konfirmanden zusprechen, besonders denen, die sich nicht alles gefallen lassen: Schutz und Schirm vor allem Argen, Stärke und Hilfe zu allem Guten, aus der gnädigen Hand Gottes, des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Diesen starken Engel wünsche ich mir, gerade dann, wenn ich mir am meisten gefallen lassen muss. Amen.