Predigttext für den 13. April 2020, Ostermontag

Als sie aber davon redeten, trat er selbst mitten unter sie und sprach zu ihnen: Friede sei mit euch! Sie erschraken aber und fürchteten sich und meinten, sie sähen einen Geist. Und er sprach zu ihnen: Was seid ihr so erschrocken, und warum kommen solche Gedanken in euer Herz? Seht meine Hände und meine Füße, ich bin’s selber. Fasst mich an und seht; denn ein Geist hat nicht Fleisch und Knochen, wie ihr seht, dass ich sie habe. Und als er das gesagt hatte, zeigte er ihnen seine Hände und Füße. Da sie es aber noch nicht glauben konnten vor Freude und sich verwunderten, sprach er zu ihnen: Habt ihr hier etwas zu essen? Und sie legten ihm ein Stück gebratenen Fisch vor. Und er nahm’s und aß vor ihnen. Er sprach aber zu ihnen: Das sind meine Worte, die ich zu euch gesagt habe, als ich noch bei euch war: Es muss alles erfüllt werden, was von mir geschrieben steht im Gesetz des Mose und in den Propheten und Psalmen. Da öffnete er ihnen das Verständnis, dass sie die Schrift verstanden. (Lukasevangelium 24, 36-45)

Gespenster essen keinen Fisch, diese reichlich okkulte Lehre scheint unsere Geschichte vorauszusetzen. Wer herausfinden will, ob er es mit einem Gespenst zu tun hat, sollte ihm Fisch anbieten. Wer das isst, ist kein Gespenst. Umgekehrt – glaube ich – funktioniert das nicht, denn es könnte ja sein, dass die Ablehnung des Fischgenusses auf Abneigung gegen diese Speise beruht und nicht auf mein Sein als Geist. Das wäre dann ein Fehler, einen richtigen Menschen für ein Gespenst zu halten, nur weil er lieber Fleisch als Fisch isst, oder sich vielleicht vegan ernährt. Das kommt ja jetzt häufiger vor. Etwas anderes kommt hinzu: Zumindest am vergangenen Donnerstag hätte die Gespensterprobe beinahe nicht stattfinden können, denn es ist mir echt schwer gefallen den Fisch für Karfreitag zu bekommen. In zwei Supermärkten war er schon ausverkauft und woanders wollte ich nicht einkaufen gehen in diesen Zeiten. Ich habe mich mit gefrorenem Fisch beholfen, der schmeckt zwar nicht so gut, aber um Geister auf die Probe zu stellen, hätte es vermutlich gereicht. Man sieht – so richtig ernst kann man diese Episode: Jesus, ein Gespenst? Mach den Fischtest! nicht nehmen. Sie ist bestimmt humorvoll gemeint (Das Osterlachen ist berühmt und soll Wunder wirken!), auch wenn sie sich der ernsten und kritischen Nachfrage verdankt, ob das mit der Auferstehung denn überhaupt sein kann und ob die Jünger sich vielleicht irrten, als sie meinten, den Auferstandenen gesehen zu haben.

Diese merkwürdigen Zweifel an unserer Wahrnehmung erleben auch wir in diesen Tagen gelegentlich, wenn wir uns als Corona-Gespenster begegnen, denen die vier Wochen im kontaktgesperrten, sozial distanzierten Ausnahmezustand schon reichlich zugesetzt haben – mit unseren verstruwwelten, ausgewachsenen Haaren zumal oder den nicht immer korrekt rasierten Gesichtern: Kann dass sein, dass der das war; der sah früher irgendwie anders, ordentlicher und gepflegter aus, doch er ist es! Das finden wir meistens heraus, auch ohne ihm gebratenen Fisch vorzusetzen (was wir ja sowieso nicht dürften), wenn wir ihn nämlich (selbstverständlich über die gebotene Sicherheitsdistanz hinweg) ansprechen und sehr schnell in den vertrauten Ton fallen, ja, er ist es!.

Natürlich lassen es die Evangelisten nicht bei den allzu realistischen und darin merkwürdig komischen Auferstehungstests bewenden, sondern das eigentliche Erkennen erfolgt durch Ansprache und Gespräch, durch die Erinnerung an die Worte, die Jesus zu seinen Lebzeiten gesprochen hat, durch seine Bibelauslegungen – eben das, was ihn für seine Vertrauten zu dem machte, der er war.

So auch hier in unserer Geschichte: Durch die Worte, die ich zu euch gesagt habe, als ich noch bei euch war; dadurch (!) öffnete er ihnen das Verständnis, dass sie die Schrift verstanden. Aus der Schrift, also der Bibel, erklärt der Auferstandene seinen Jüngern – und uns – wer er ist und was mit ihm geschehen ist: So steht’s geschrieben, dass der Christus leiden wird und auferstehen von den Toten am dritten Tage; und dass gepredigt wird in seinem Namen Buße zur Vergebung der Sünden unter allen Völkern.(V. 46-47 im direkten Anschluss an unseren Predigttext) Die verwirrenden, aufwühlenden Geschehnisse der letzten Tage (also der Tage von Jesu Tod und Auferstehung) sind kein Zufall und keine Katastrophe, sondern in ihnen findet sich Gottes Handeln und Gottes Plan. Sie haben einen tieferen Sinn, aus dem können wir leben, wenn wir „Buße“ tun, „umkehren“, also unsere Lebensweise in Frage stellen lassen und unser Leben auf sein Ziel ausrichten – und nicht bloß auf sein Ende.

Noch verbietet es sich für unsere gegenwärtige Krise Sinn und Bedeutung zu formulieren, wir sind ja noch mittendrin. Und natürlich wäre es theologischer Unsinn darin eine Strafe Gottes zu behaupten. Aber dass mit ihr unsere Lebensweise und unser Wirtschaftssystem in Frage gestellt wird, zeichnet sich ab. Und dass selbst das beste Gesundheitssystem niemanden unsterblich machen würde, müssen wir ebenfalls begreifen.

Was bleibt also von unserer schönen, für einen zweiten Feiertag so typischen Bibelgeschichte, die ja wie immer zu „zweiten Gedanken“ einladen soll?

1. Es darf gelacht werden, auch in der Bibel findet sich Humor. Das Osterlachen soll das gesündeste sein (das gleiche gilt für den Kirchenschlaf).

2. Wir sind nicht allein mit unseren Zweifeln. Wenn schon die heiligen Apostel Bedenken hatten und äußerten, dürfen wir komischen Heiligen das auch. Auferstehung ist jedenfalls nicht erklärbar und verrechenbar nach unseren Maßstäben und soll das auch nicht sein: Wenn ich Auferstehung erklären könnte, hätte ich mich schon geirrt. Sie liegt quer zum Denken. Ich muss es glauben – oder eben nicht (weil wir nichts glauben müssen). Sie will und kann nicht verstanden werden (und das kann dann durchaus ein Problem sein, wenn die Evangelisten und Apostel, der große Paulus zumal, zu viel erklären wollen).

3. Der Auferstandene lässt sich in seinen Worten finden. Wenn unser „Herz brennt“, sind wir ihm begegnet. Unsere Geschichte schließt an die Emmaus-Geschichte an, dort heißt es: Brannte nicht unser Herz in uns, da er mit uns redete auf dem Wege und uns die Schrift öffnete? (Lukas 24,32)

4. Umkehr! Lasst uns umkehren, unsere Lebensweise überprüfen, wenn nötig ändern.

Klaus Neumann, Pfarrer