Predigttext für Christi Himmelfahrt, 13. Mai 2021

Darum, nachdem auch ich gehört habe von dem Glauben bei euch an den Herrn Jesus und von eurer Liebe zu allen Heiligen, höre ich nicht auf, zu danken für euch, und gedenke euer in meinem Gebet, dass der Gott unseres Herrn Jesus Christus, der Vater der Herrlichkeit, euch gebe den Geist der Weisheit und der Offenbarung, ihn zu erkennen. Und er gebe euch erleuchtete Augen des Herzens, damit ihr erkennt, zu welcher Hoffnung ihr von ihm berufen seid, wie reich die Herrlichkeit seines Erbes für die Heiligen ist und wie überschwänglich groß seine Kraft an uns ist, die wir glauben durch die Wirkung seiner mächtigen Stärke. Mit ihr hat er an Christus gewirkt, als er ihn von den Toten auferweckt hat und eingesetzt zu seiner Rechten im Himmel über alle Reiche, Gewalt, Macht, Herrschaft und jeden Namen, der angerufen wird, nicht allein in dieser Welt, sondern auch in der zukünftigen.Und alles hat er unter seine Füße getan und hat ihn gesetzt der Gemeinde zum Haupt über alles, welche sein Leib ist, nämlich die Fülle dessen, der alles in allem erfüllt. (Brief an die Epheser 1, 15-23)

Wer beherrscht den Himmel, wer regiert die Welt?

Was die Lufthoheit über den Stammtischen bei unseren lieben Nachbarn, den Bayern, ist, bedeutet die Eroberung des Weltraums durch die Supermächte und solche, die es werden wollen – jeder wie er kann und mag: was dem einen sin Ul, ist dem andern sin Nachtigall (auch beides sehr schöne Flugkörper!) – und da kann selbst die Schließung der Biergärten bei den einen und abstürzender Weltraumschrott der anderen die Aspirationen der Luft- und der Weltraum-Aspiranten nicht nachhaltig bremsen: per aspera ad astra. (Wer Ohren hat zu hören, der höre!) Die sichtbare Beherrschung des Himmels scheint jede Mühe zu rechtfertigen, denn wer den Himmel beherrscht, beherrscht die Welt, signalisiert Überlegenheit, demonstriert Dominanz. Und mit Schrecken und Trauer sehen wir gegenwärtig in den Nachrichten aus dem Heiligen Land, dass das auch eine militärische Logik darstellt. Wer den Himmel beherrscht, regiert die Welt.

Herrschaft des Himmels ist ein Symbol an der Grenze zwischen Politik und Religion; mit dem Himmelfahrtstag öffnen wir ein Kapitel politische Theologie; souverän ist, wer den Ausnahmezustand beherrscht und recht betrachtet ist die Welt eine Verkettung von Ausnahmezuständen. Für Weltherrschaftsaspiranten liegt es also nahe, den Stoff, der den Ausnahmezustand beherrschen lässt, nach einem berühmten Weltraumflugkörper zu benennen, dem berühmtesten, dem ersten menschengemachten Flugobjekt im Orbit: Sputnik! Himmelfahrt stellt die Machtfrage in letzter Konsequenz: Wer regiert den Himmel, wer regiert die Welt?

Geld regiert die Welt – hätten wir vielleicht früher geantwortet und lägen damit auch heute nicht ganz falsch. Geld schießt halt doch Tore, wie alle Bayernverächter, auch in dieser Saison wieder leidvoll erfahren mussten; und die Menge des eingesetzten Geldes hat einen, vielleicht den entscheidenden Einfluss, wie der große und scheußliche Ausnahmezustand Pandemie bewältigt werden kann; das gilt wohl für reiche Menschen und reiche Länder gleichermaßen. Geld regiert die Welt. Da ist was dran.

Aber Vorsicht: Dass Geld die Welt regiert, sagen und benutzen ja auch die Verschwörungsmythiker und Lügenerzähler, wenn sie den vielleicht nicht ganz falschen Satz isolieren und variieren, aufblähen und mit ihren versammelten Vorurteilen beladen und wenn dann am Ende im besten Fall Quatsch mit Soße – und im schlimmen Fall Quatsch mit brauner Soße hinten rauskommt, was für eine Metapher!

Wer regiert die Welt? Im vergangenen Jahr ist eine neue Antwort dazukommen, die einige Evidenz für sich hat: Mikroben, Bakterien, Pilze und vor allem Viren regieren die Welt und uns in ihr. Das uns allen bis zum Überdruss bekannte Virus, das ich aus lauter Verachtung am liebsten Bazillus nenne, diktiert seit einem Jahr ziemlich souverän den Ausnahmezustand und bestimmt die Bedingungen unseres Lebens – und Sterbens. Unvorstellbar, dass dieses etwas, das biologisch noch nicht mal den Namen Lebewesen verdient und von denen alle, die gleichzeitig existieren, in eine Cola-Dose passen – dicke in eine Cola-Dose passen! (wie ein britischer Mathematiker nachgerechnet hat, der muss es wissen) –unser Leben bestimmt und millionenfach frühzeitig qualvoll beendet. Hat das Kronenvirus – Nomen est omen! – uns, Krone der Schöpfung, entthront?

Oder wird es am Ende doch der Mensch sein, der die Welt regiert, vielleicht sogar zum Guten hin regiert: in seinen großartigen Wissenschaftlern, den unermüdlichen Medizinern, auch in den politischen Entscheidungsträgern, die – genau betrachtet – viel mehr richtig machen, als dass sie falschen machen, und jedenfalls das meiste besser als wir Meckerer das je hinbekommen hätten. (Wir erinnern uns an den prophetischen Satz des großen Bjarne Mädel vor einem Jahr: Wenn alle immer nur meckern, können wir sowas wie Corona nicht mehr machen.) Allein unsere Sehnsucht auf die Rückkehr in unser altes Leben, das aber doch diesen Ausnahmezustand zuerst ermöglicht oder zumindest begünstigt hat, spricht gegen uns.

Wer regiert? Die Vielzahl möglicher Weltregenten muss auch Zweifel daran säen, dass die Welt überhaupt regiert wird, ob sie nicht bloß in einem grandiosen chaotischen Taumel durch die unendlichen Weiten des Alls stürzt ihrem Ende entgegen – und da ist es nur ein schwacher Trost, dass dieses Ende ein paar Milliarden Jahre entfernt ist. Vielleicht regiert da gar niemand, auch der Himmel wäre leer: Above us only sky, wie John Lennon sang. Hat er recht?

So wie die Himmelfahrt solche Gedanken in Gang setzt, setzt sie ihnen auch etwas entgegen: die geglaubte Herrschaft Christi über die Welt. Sie behauptet trotz der spektakulären Ursprungserzählung des Lukas, dass es allererst den Geist der Weisheit und der Offenbarung braucht, dass es erleuchteter Augen des Herzens bedarf, um das Geschehen zu verstehen und das wahre Weltregiment zu erkennen. Himmelfahrt berichtet kein historisches Ereignis und beschreibt keine Gesetze der Natur: Himmelfahrt ist eine starke Behauptung ohne schwachen Beweis – ins Blaue des Himmels hinein, ohne den Geist der Weisheit und der Offenbarung bleibt sie verborgen, ohne erleuchtete Augen des Herzens sehen wir: – nichts.

Aber mit dem Geist der Weisheit und der Offenbarung und durch die erleuchteten Augen des Herzens entfaltet die Himmelfahrtsbotschaft die Wirkung seiner mächtigen Stärke: Sie hat die Macht, alle Weltherrschaftsansprüche zu entmächtigen; kein Geld, keine Mikrobe, kein Mensch, oder was sonst immer Ansprüche über uns anmeldet, weder alle Reiche, noch Gewalt, Macht, Herrschaft, noch jeder Name, der angerufen wird, nicht allein in dieser Welt, sondern auch in der zukünftigen – hat letztlich Macht über uns; weil Christus der Auferstandene der Herr ist, über uns und die ganze Welt.

Die Himmelfahrtsbotschaft ist ein bisschen so wie der Ratschlag an die Prüflinge sich ihre Prüfer nackt vorzustellen, um sie – lächerlich geworden – ihrer Macht zu entkleiden. Der Kaiser ist nackt! Warum sollten wir ihn fürchten? Alle und alles, was uns beherrschen will, sie mögen uns in ihrer aufgeblasenen Mächtigkeit einschüchtern und bedrohen, Macht haben sie nicht, nicht mehr! – wenn und solange wir mit den erleuchteten Augen des Herzens die Wahrheit des Auferstandenen und in den Himmel Gefahrenen wahrnehmen: Alles hat Gott unter dessen Füße getan, an den wir glauben. Amen.