Predigttext Himmelfahrt 18. Mai 2023

Imagine there´s no heaven
It´s easy if you try
No hell below us
Above us, only sky

Schönes Lied vom großen John Lennon, aber vielleicht nicht die erste Wahl für den Himmelfahrtsgottesdienst; und wenn es wie vor ein paar Wochen in der wundervollen Rambacher Kirche erklingt, führt das zu verstärktem Stirnrunzeln bei den sprachkundigen Gottesdienstbesuchern. Erst die Abwesenheit von Religion und also ein leerer Himmel soll Frieden und Liebe bringen? Während ihre Gegenwart zu fürchten wäre? – das ist eher nicht die reine Lehre, die sie in einem evangelischen Gottesdienst erwarten dürfen.

Andrerseits ist die hier gemachte Unterscheidung von religiösem heaven und natürlichem sky schon relevant, wie auch das Vorstellen und Träumen einer besseren möglichen Welt und die Frage von Gegenwart und Abwesenheit eben auch. Gerade darum soll es heute gehen: um die Präzisierung von Jesu Abwesenheit durch seine Himmelfahrt.

Und es geschah, als er sie segnete, schied er von ihnen und fuhr gen Himmel. (Lukas 24,51)

Viel mehr als eine Abwesenheitsnotiz ist das hier ja nicht, sondern etwa so wie auf unserem Email-Account oder auf der Mailbox; meistens wird einem dort nur mitgeteilt, dass der, den man erreichen wollte, gerade nicht erreichbar ist, was man sich aber schon denken konnte, weil man ihn ja nicht erreicht hat. Im besten Fall bekommt man noch gesagt, wo der Betreffende gerade ist und an wen man sich in dringenden Angelegenheiten wenden kann. So auch hier.

Aus der Abwesenheitsnotiz, die Lukas im Namen Jesu aufspricht und für uns notiert, geht hervor, dass dieser in den Himmel gefahren – eigentlich: „hochgehoben“ oder „fortgetragen“ – ist. Hier auf Erden werden wir ihn vergeblich suchen; wer etwas von ihm will, wende sich bitte an den Himmel; womit uns aber wie so oft bei solchen Ansagen nicht sehr viel weitergeholfen ist, denn wo ist der Himmel und wie erreiche ich ihn?

Eine Abwesenheitsnotiz dient der Bewältigung von Abwesenheit; es geht darum, sie überhaupt wahrzunehmen, zu wissen, woran man ist, und auszuhalten; auch unseren Ärger auszuhalten über das nicht stattfindende Gespräch, oder unsere Trauer auszuhalten darüber, dass ein Gespräch nie wieder stattfinden wird. Es geht auch darum, sie pragmatisch zu bewältigen, Alltagslösungen zu finden, das Leben trotz Abwesenheit des einen, einzelnen, wichtigen weitergehen zu lassen; nicht unbedingt Ersatz zu schaffen für den womöglich Unersetzlichen, aber doch Ersatzlösungen zu finden, um die Lücke herum; ein Leben zu finden unter den Bedingungen der Abwesenheit.

Oft hilft dabei, eine unbestimmte Abwesenheit in eine bestimmte zu überführen, also zu wissen, wo der Abwesende ist; Eltern geht es so, wenn sie nicht nur bemerken, dass der Nachwuchs weg ist, sondern dazu auch wissen, wohin weg; aber manchmal will man es auch gar nicht so genau wissen. Mit der Bestimmung des Abwesenheitsortes als Himmel ist allerdings nicht viel gewonnen, denn nach der Bibel ist der Himmel nicht nur Wohnsitz Gottes, sondern auch – und durchaus im Widerspruch dazu – die uns abgewandte Seite der Schöpfung, in keinem Fall aber das, was wir als Himmel über uns wahrnehmen und in gar keinem Fall ein Ort, den wir kennten oder über den wir etwas wüssten.

Die gleich mehrfache Unverfügbarkeit des Himmels als Wohnort Gottes, als unbekannte, unerkannte Schöpfung, als Universum – „unendliche Weiten, die nie zuvor ein Mensch gesehen hat“ – macht ihn zum idealen Rückzugsort des abwesenden Jesus – abwesender geht’s nicht! – allerdings ohne unsere Bedürfnisse nach Bestimmtheit des Abwesenheitsortes zu befriedigen. Wenn wir wissen, dass Jesus im Himmel ist, wissen wir immer noch nicht, wo er ist.

Dennoch ist der Himmel in diesem Sinne mehr als nur ein unbestimmter Grenzbegriff, sondern als der uns abgewandte Bereich der Schöpfung ein unerschöpftes Reservoir noch nicht verwirklichter Möglichkeiten; mehr noch: als Wohnort Gottes ist dieses Reservoir nicht nur unerschöpft sondern unerschöpflich, grenzenlos, unendlich weit. Von dort her, vom Himmel hoch, kommen – ganz im Sinne John Lennons – die Imaginationen und Träume eines besseren Lebens; gute Mär für die Glaubenden, auch die ungläubig Glaubenden.

Noch als Abwesender versorgt uns der in den Himmel gefahrene Jesus so mit dem für ein besseres Leben Notwendigen aus dem Himmel herab, geistliches Manna in den Wüsten unserer Welt: Bilder des Friedens, Berichte von überwundener Not, Geschichten gelingender Gemeinschaft, Erzählungen von Menschen als Schwestern und Brüder – als Möglichkeiten besseren Lebens gegenüber der wirklichen Welt, nach denen wir diese gestalten sollen; wirksame Träume aus dem Himmel für unsere Erde:

You may say I´m a dreamer
But I´m not the only one
I hope someday you´ll join us
And the world will live as one