Predigttext für den 12. April 2020, Ostern

Hoffen wir allein in diesem Leben auf Christus, so sind wir die elendesten unter allen Menschen. Nun aber ist Christus auferweckt von den Toten als Erstling unter denen, die entschlafen sind. Denn da durch einen Menschen der Tod gekommen ist, so kommt auch durch einen Menschen die Auferstehung der Toten. Denn wie in Adam alle sterben, so werden in Christus alle lebendig gemacht werden. Ein jeder aber in der für ihn bestimmten Ordnung: als Erstling Christus; danach die Christus angehören, wenn er kommen wird; danach das Ende, wenn er das Reich Gott, dem Vater, übergeben wird, nachdem er vernichtet hat alle Herrschaft und alle Macht und Gewalt. Denn er muss herrschen, bis Gott »alle Feinde unter seine Füße gelegt hat« (Psalm 110,1). Der letzte Feind, der vernichtet wird, ist der Tod. Denn »alles hat er unter seine Füße getan« (Psalm 8,7). Wenn es aber heißt, alles sei ihm unterworfen, so ist offenbar, dass der ausgenommen ist, der ihm alles unterworfen hat. Wenn aber alles ihm untertan sein wird, dann wird auch der Sohn selbst untertan sein dem, der ihm alles unterworfen hat, auf dass Gott sei alles in allem. (1. Korintherbrief 15, 19-28)

Es war ein wunderlicher Krieg, da Tod und Leben rungen; das Leben behielt den Sieg, es hat den Tod verschlungen. (Evangelisches Gesangbuch 101)

Mit allen Mitteln wird gegen die Seuche gekämpft, und wenn die medizinischen nicht ausreichen und noch keine Wirkung erzielen, andere aber nicht zur Verfügung stehen, schon gar keine militärischen, dann soll das Virus eben mit rhetorischen Mitteln bekriegt werden: Krieg der Worte gegen das Virus! Die üblichen Verdächtigen in solchen Fällen, aber auch der doch ganz zivil wirkende Präsident der französischen Republik ziehen gegen das Virus in den Krieg – zumindest mit ihren Worten! Auch die Boulevardpresse kürt Helden der Krise, den Arzt im Ruhestand, der im Seniorenheim hilft, oder die Schwimmtrainerin, die Proben von Corona-Patienten nimmt. Das vermittelt zwar durchaus den Ernst der Lage, aber eben auch die Verzweiflung darüber, mit den Maßnahmen nicht – noch nicht – die erwünschten Erfolge zu erzielen. Die Kriegsdrohungen scheinen den Erreger jedenfalls nicht sonderlich zu beeindrucken. Es bleibt offen, wann ein Sieg über die Seuche verkündet werden kann und welche Sprache dann angemessen erscheinen wird.

Nicht wenige Auferstehungstexte und Osterlieder singen und sagen in kriegerischen Worten vom Sieg des Lebens. Der eingangs zitierte Luther noch mittelalterlich gefärbt und rau, aber auch Paul Gerhardt in seiner farbig barocken geschliffenen Sprache ein Jahrhundert später: Eh er´s (der Feind) vermeint und denket, ist Christus wieder frei und ruft Viktoria, schwingt fröhlich hier und da sein Fähnlein als ein Held, der Feld und Mut behält. (EG 112) Damit nimmt er die Sprache der Bilder seiner Zeit auf, die den Auferstandenen mit Siegesfahne abbilden.

Die österlichen Krieg- und Siegmetaphern können sich auf Paulus berufen, wie wir am heutigen Predigttext sehen. Der Tod als letzter Feind wird an Ostern besiegt, vorher geht es anderen lebens- und menschenfeindlichen Herrschaften, Mächten und Gewalten an den Kragen. Am Ende wird Gott alles Widergöttliche unterworfen haben, auf dass Gott sei alles in allem. Am Ende wird alles gut, tutto andrá bene! (Wie wir von unseren italiensichen Freunden in diesen schlimmen Zeiten gelernt haben.)

Und wenn es noch nicht gut ist, ist es noch nicht das Ende. Der Apostel Paulus setzt sich – nach allem was wir wissen – in seinen Korintherbriefen mit anderen Christen auseinander, die das durch Ostern eingeleitete Ende alles Widergöttlichen und den Sieg Gottes in der Auferstehung seines Sohnes für schon eingetreten gehalten haben und nicht wie er für erst den Anfang des noch kommenden, noch ausstehenden Gottesreiches. Er setzt sich mit denen auseinander, die den Sieg Gottes über den Tod schon für vollständig halten – und die die anderen Apostel wie Paulus, die diesen Sieg erst in der Zukunft erwarten, für ungläubig halten. (Das wird den Paulus gekränkt haben, wie wir gekränkt sind, wenn uns von anderen der Glaube abgesprochen wird, so wie kürzlich als mir auf den Osterbrief unserer Gemeinde hin ohne weiteren Kommentar der Vorwurf des Unglaubens gemacht wurde. Das wäre doch zu begründen und zu besprechen!)

Deshalb entwirft Paulus hier einen Zeitplan für die endzeitliche Erlösung, die jedem gilt, jedem aber anders, jeder aber in der für ihn bestimmten Ordnung, und zwar in der für ihn bestimmten zeitlichen Ordnung;Christus zuerst und vorneweg, dann die, die zu ihm gehören und an ihn glauben, darauf erst das allgemeine Ende. Das kann er natürlich gar nicht gewusst haben, aber das ist unerheblich, denn ihm geht es darum, den zeitlichen Unterschied zwischen Auferstehung Jesu und allgemeiner Auferstehung, also den kategorialen Unterschied zwischen Ankündigung, Anfang und Ende des Endes zu verdeutlichen.

Wir feiern Ostern gewöhnlich als jährlich (na gut, also angesichts des diesjährigen Osterausfalls beinahe jährlich) wiederkehrende Frühlingsfest als Fest des neuen Lebens aus Gott – und es ist nicht unfromm, das auch in der Kirche zu feiern und zu besingen! (Jetzt grünet, was nur grünen kann, Halleluja, die Bäum zu blühen fangen an, Halleluja. Es singen jetzt die Vögel all, Halleluja, jetzt singt und klingt die Nachtigall, Halleluja. Der Sonnenschein jetzt kommt herein, Halleluja, und gibt der Welt ein´ neuen Schein, Halleluja. EG 110)

Und wir glauben Ostern als Ereignis der Vergangenheit, als Gott seinen Jesus Christus auferweckt hat und dem Leben damit den alles verändernden und unumkehrbaren Sieg gegen den Tod verschafft hat.

Mit unserem Paulustext heute richtet sich der Blick aber vor allem in die Zukunft nach vorne! Ostern steht in seiner ganzen Fülle noch aus. Ostern ist laut Paulus erst der Anfang vom besten aller möglichen Enden: auf dass Gott sei alles in allem!

Das soll über die österlichen Defizite – nicht nur in diesem Jahr – hinweghelfen. Wenn wir Ostern in diesem Jahr nicht gemeinsam und auf die gewohnte Art feiern können, ist das überaus bedauerlich, aber es könnte uns doch auch die Augen dafür öffnen, dass es seit zweitausend Jahren immer Menschen gab, die aus persönlichen Umständen Ostern nicht oder nur ganz eingeschränkt feiern konnten, etwa aus Trauer um ihre Lieben oder wegen schwerer Krankheit oder auch bloß wegen eines Klinikaufenthalts (wie es mir im vergangenen Jahr in der Reha gegangen ist, in der kein Gottesdienst gefeiert wurde und ich noch zu klapperig war, einen außerhalb zu besuchen); oder dass ganze Landstriche und Länder wegen Krieg oder Seuchen oder anderer Katastrophen Ostern nicht feiern konnten – manchmal über viele Jahre nicht feiern konnten. Ausgefallene Ostern hat es für einzelne oder für viele schon immer gegeben.

Auch das erste Ostern ist ja eher durch ein Fehlen, einen Mangel – das leere Grab! – und Furcht und Zittern – „Entsetzt euch nicht! Er ist nicht hier“ (wie es im Osterevangelium heißt) – gekennzeichnet. Und nur ganz allmählich hat sich die Botschaft von Kreuz und Auferstehung in der antiken Welt verbreitet, in der sie mehrheitlich für Ärgernis oder Torheit gehalten wurde, ohne dass sie bis heute auch nur annäherungsweise alle Menschen erreicht hätte. Es spricht einfach ziemlich viel (auch ohne Corona) gegen Ostern und den österlichen Sieg gegen den Tod – wenn man nicht mit Paulus die Zukunftsdimension von Ostern betrachtet.

Anders als zukünftig ist der österliche Sieg über den Tod nicht für wahr zu halten. Das kann uns frustrieren – wie es die Korinther frustriert hat: ein bisschen gegenwärtiger und erfahrbarer hätten wir die Auferstehung schon gern! (Und Gott könnte sich selbst und uns doch eine Menge Mühe ersparen, wenn er uns gleich jetzt schon Leiden und Tod und dazu diese verdammte Seuche erlassen würde.)

Das kann uns aber auch zu einem Osterglauben wie bei Paulus führen, der nach vorne blickt, der die Gegenwart für veränderbar hält (Es wird ein Mittel gegen diese Seuche geben! Und das ist jetzt nicht zuerst eine Glaubensaussage sondern eine Zusage der medizinischen Wissenschaft.) und der alles von Gott erwartet – von dem nämlich, der seinen Sohn vom Tode auferweckt hat. Eine stärkere Versicherung unseres Glaubens und unserer Hoffnung gibt es nicht: Weil Christus vom Tod erstanden ist, werde ich im Grab nicht bleiben.

In dieser Hoffnung wollen wir es uns auch in diesem Jahr dann eben auf diesem Wege sagen lassen und dann auch weitersagen: Er ist auferstanden – Er ist wahrhaftig auferstanden!

Und es singen! Christ ist erstanden von der Marter alle; des solln wir alle froh sein, Christ will unser Trost sein. Kyrieleis.(EG 99)

Klaus Neumann, Pfarrer