Predigttext für den Sonntag Invokavit, 26. Februar 2023

Es begab sich aber eines Tages, da die Gottessöhne kamen und vor den Herrn traten, dass auch der Satan mit ihnen kam und vor den Herrn trat. Da sprach der Herr zu dem Satan: Wo kommst du her? Der Satan antwortete dem Herrn und sprach: Ich habe die Erde hin und her durchzogen. Der Herr sprach zu dem Satan: Hast du acht auf meinen Knecht Hiob gehabt? Denn es ist seinesgleichen auf Erden nicht, fromm und rechtschaffen, gottesfürchtig und meidet das Böse und hält noch fest an seiner Frömmigkeit; du aber hast mich bewogen, ihn ohne Grund zu verderben. Der Satan antwortete dem Herrn und sprach: Haut für Haut! Und alles, was ein Mann hat, lässt er für sein Leben. Aber strecke deine Hand aus und taste sein Gebein und Fleisch an: Was gilt’s, er wird dir ins Angesicht fluchen! Der Herr sprach zu dem Satan: Siehe da, er sei in deiner Hand, doch schone sein Leben! Da ging der Satan hinaus vom Angesicht des Herrn und schlug Hiob mit bösen Geschwüren von der Fußsohle an bis auf seinen Scheitel. Und er nahm eine Scherbe und schabte sich und saß in der Asche. Und seine Frau sprach zu ihm: Hältst du noch fest an deiner Frömmigkeit? Fluche Gott und stirb! Er aber sprach zu ihr: Du redest, wie die törichten Frauen reden. Haben wir Gutes empfangen von Gott und sollten das Böse nicht auch annehmen? In diesem allen versündigte sich Hiob nicht mit seinen Lippen.  

Als aber die drei Freunde Hiobs all das Unglück hörten, das über ihn gekommen war, kamen sie, ein jeder aus seinem Ort: Elifas von Teman, Bildad von Schuach und Zofar von Naama. Denn sie wurden eins, dass sie kämen, ihn zu beklagen und zu trösten. Und als sie ihre Augen aufhoben von ferne, erkannten sie ihn nicht und erhoben ihre Stimme und weinten, und ein jeder zerriss sein Kleid, und sie warfen Staub gen Himmel auf ihr Haupt und saßen mit ihm auf der Erde sieben Tage und sieben Nächte und redeten nichts mit ihm; denn sie sahen, dass der Schmerz sehr groß war. (Hiob 2,1-13)

Haut für Haut, sagt der Teufel; alles hat seinen Preis, meint der Teufel; jeder ist käuflich, glaubt der Teufel; und jeder, der so glaubt, glaubt auf teuflische Weise.

Wert und Würde des Menschen werden heute verhandelt, Wert oder Würde: nicht nur im Lande Uz, in dem Hiob wohnt, sondern bei uns und überall. Wert statt Würde, so will es der Teufel. Der Teufel, der spricht: Ich habe die Erde hin und her durchzogen – , der kommt überall hin, auch zu uns. Es geht ihm um seine Geschäfte, nämlich aus allem ein Geschäft zu machen, überall einen Deal zu wittern; der Teufel ist ein Dealer, der Dealer schlechthin: Drogendealer, Waffenhändler, Menschenhändler – das zuerst und vor allem.

Für seinen Handel schleicht er sich unter die Göttersöhne, schleicht sich der Teufel vor Gott, erschleicht sich einen Deal über Hiob; das ist hier ja schon die zweite Handelsrunde: Haut für Haut. Bei seinem ersten Geschäftsbesuch ging es um den materiellen Besitz des Hiob, seinen Reichtum, seine Immobilien, seine Viehbestände, um die der Teufel den Hiob bringen darf, um die er in bringt, um ihn um seine Seele zu bringen, seine Seele zu kaufen.

Aber Hiob verweigert den Deal, hält sein Unglück aus – und provoziert somit ein weiteres Angebot des Teufels, das er nicht ablehnen kann – und doch ablehnt. Der Teufel nimmt ihm nach seinem Besitz auch seine körperliche Gesundheit, schlägt ihn mit bösen Geschwüren von der Fußsohle an bis auf seinen Scheitel; schlägt ihn mit Krankheit des Leibes, um ihm die Seele zu nehmen. Aber auch diesen Deal schlägt Hiob aus, will seine Seele behalten und bei Gott bleiben. Fragt in geradezu berückender Naivität: Haben wir Gutes empfangen von Gott und sollten das Böse nicht auch annehmen? Das kann man ja auch anders sehen. Und in den berühmten Reden des Hiobbuches, die sich unserer Szene anschließen, wird das auch anders gesehen, von seinen Freunden, die ihn besuchen – Elifas von Teman, Bildad von Schuach und Zofar von Naama – und von Hiob selbst auch.

In unserer Szene zeigen die Freunde aber zuerst, was Freunde machen und wie sie helfen können dem, der im Elend sitzt, nämlich: da sein, trauern, weinen, klagen, schweigen (und nicht reden, was sie im Rest des Hiobbuches tun), und so das Elend mittragen. Manchmal – und ich weiß, wovon ich rede – hilft nur – aber das hilft dann sogar – da sein und schweigen. Sie erhoben ihre Stimme und weinten, und ein jeder zerriss sein Kleid, und sie warfen Staub gen Himmel auf ihr Haupt und saßen mit ihm auf der Erde sieben Tage und sieben Nächte und redeten nichts mit ihm; denn sie sahen, dass der Schmerz sehr groß war.

Hiob verweigert den Deal mit dem Teufel, aber unter welchen Schmerzen, welchen Kosten! Er lässt sein Land und seinen Besitz zerstören, lässt sich massakrieren, gibt Gesundheit und Wohlergehen – aber er gibt dem Teufel seine Seele nicht. Warum macht er das? Und wieso kann er das?

Am Jahrestag des Beginns eines schrecklichen Krieges in unserer Nähe, als ein widerlicher Teufel in Menschengestalt ein ganzes Land zu einem neuen Hiob machte, das Land massakriert und vergewaltigt bis jetzt, ohne dass dieses aufgegeben hätte, aufgeben würde, muss uns das besonders berühren: Die Standhaftigkeit seiner Menschen, ihre Entschlossenheit den Teufelspakt zu verweigern, die hiobsgleiche Härte gegen sich selbst, ein Angebot, das sie nicht ablehnen können sollten, eben doch abzulehnen. Mit dem Teufel spricht man nicht, zu groß ist die Gefahr für Leib und vor allem Seele, das ist klar. Mit dem Teufel spricht man nicht, oder doch?

Gott spricht mit dem Teufel, wie wir heute hören, und zeigt also, dass es Gelegenheiten und Gründe geben kann, sogar mit dem Teufel zu reden und mit ihm in Verhandlungen zu treten; z.B. um Schlimmeres zu verhindern. Ob und wann das so im Falle dieses Krieges ist, ist in erster Linie keine Frage des Glaubens sondern Gegenstand gesellschaftlicher Debatten und politischer Entscheidungen und wir können den Verantwortlichen dafür nur eine äußerst glückliche Hand wünschen – und für den Frieden beten.

Warum, aber, und zu welchem Zweck spricht Gott in unserer Geschichte mit dem Teufel? Warum nur lässt er sich auf einen Deal mit ihm ein? Warum scheint Gott den Hiob zum Gegenstand einer Wette zu machen, zum bloßen Objekt, scheinbar zum bloßen Wert ohne eigene Würde? Warum erlaubt er dem Teufel Hiobs Käuflichkeit zu testen? Und warum verteidigt er nicht Hiobs von Gott selbst verliehene Menschenwürde und haut ihm für dessen zynisches Haut für Haut nicht aufs Maul? Ich hätte mir das gewünscht!

Zumindest der Erzähler unserer Hiobsgeschichte denkt sich Gott offensichtlich anders. Er lässt den Teufel als das Böse aus Gott heraustreten und ihm dann gegenübertreten. Der Teufel wird so das schlechthin Andere Gottes. Indem der Erzähler Gott dem Teufel das Wort geben lässt, wird das Böse hörbar, es zeigt sich, entlarvt sich selbst, lässt sich identifizieren, also auch bekämpfen. Der Kampf gegen das Böse ist damit nicht nur die Sache Gottes, sondern auch von uns Menschen. Der Kampf gegen das Böse besteht für uns Menschen im Festhalten an das Gute. Gott beteiligt uns am Kampf gegen das Böse, er, der Allmächtige, scheint uns Ohnmächtige in diesem Kampf zu brauchen, zu wollen, und darin gegen das Böse zu ermächtigen, er stiftet Allianzen gegen den Teufel. Die Geduld und die Standhaftigkeit Hiobs seien uns Vorbild im gemeinsamen Kampf gegen das Böse.

Am Ende sollen wir aber auch verstehen lernen, dass unsere menschliche Existenz zerrissen bleibt zwischen Gut und Böse, zwischen Gott und dem Teufel, lebenslang zweideutig sogar in dem, was wir von Gott empfangen: Haben wir Gutes empfangen von Gott und sollten das Böse nicht auch annehmen? Die Eindeutigkeit, die wir uns in Krisen wie diesen wünschen, wird es nicht geben. Auch das ist also von uns auszuhalten, dass es das Gute im Bösen und dass es das Böse mit dem Guten gibt und geben wird. Amen.