Empfohlen

Treffpunkt Theologie: 1.4. und 13.5.

Im Jahr 1525 ereignet sich an vielen Orten zwischen Bodensee und Harz ein „Bauernkrieg“ als Reihe von bewaffneten Aufständen des „gemeinen Mannes“, die sich unter den berühmten „Zwölf Artikeln“ gegen Unrecht und Willkür wehren und dabei auch Hilfe durch Theologen der Reformation wie Thomas Müntzer erhalten. Die Aufstände stehen einerseits in einer langen Tradition bäuerlicher Erhebungen seit dem Mittelalter und gehören andererseits durch die zeitliche Folge wie dem Versuch ihrer evangelischen Begründung in die Geschichte der Reformation. Sowohl Anhänger als auch Gegner der Bauern wie der Reformation haben diese doppelte Verbindung verteidigt bzw. angeklagt. Martin Luther musste sich heftiger Vorwürfe erwehren, er würde entweder die Reformation verraten oder Gewalt gegen die Obrigkeit rechtfertigen. Am Ende wütet Luther unter dem Eindruck des gewalttätigen Aufruhrs gegen die „mordenden Rotten der Bauern“, welche ihrerseits zu Zehntausenden den viel besser ausgerüsteten Heeren der Fürsten zum Opfer fallen. Bezugnahmen und Einordnungen, Anknüpfungen und Inanspruchnahmen sind bis heute schwierig und widersprüchlich: In Thüringen erinnert in diesem Jahr eine große Ausstellung unter dem Titel „Freiheit!“ an den Bauernkrieg, während in Baden-Württemberg unter dem Titel „Aufruhr“ zum Gedenken eingeladen wird. In der DDR wurde die „Frühbürgerliche Revolution“ gefeiert als Vorläuferin der Französischen und der Russischen Revolution; im Westen galt der Bauernkrieg als heikles Kapitel der Reformationsgeschichte. 

Klaus Neumann

Invokavit, 9. März 2025

Predigt in der Sonnenberger Thalkirche über die Bergpredigt: Selig die Armen!

Und er hob seine Augen auf über seine Jünger und sprach:

Selig seid ihr Armen; denn das Reich Gottes ist euer. Selig seid ihr, die ihr jetzt hungert; denn ihr sollt satt werden. Selig seid ihr, die ihr jetzt weint; denn ihr werdet lachen. Selig seid ihr, wenn euch die Menschen hassen und euch ausstoßen und schmähen und verwerfen euren Namen als böse um des Menschensohnes willen. Freut euch an jenem Tage und tanzt; denn siehe, euer Lohn ist groß im Himmel. Denn das Gleiche haben ihre Väter den Propheten getan.

Aber dagegen: Weh euch Reichen; denn ihr habt euren Trost schon gehabt. Weh euch, die ihr jetzt satt seid; denn ihr werdet hungern. Weh euch, die ihr jetzt lacht; denn ihr werdet weinen und klagen. Wehe, wenn jedermann gut über euch redet; denn das Gleiche haben ihre Väter den falschen Propheten getan. (Lukasevangelium 6,20-26)

Selig seid ihr Armen; denn das Reich Gottes ist euer.  Wer jetzt meint, liebe Schwestern und Brüder, das haben wir aber anders im Ohr, irrt nicht. Beim Evangelisten Matthäus klingen die Seligpreisungen Jesu, der berühmte Auftakt seiner Bergpredigt, anders als hier bei Lukas, monumentaler und milder zugleich. Schon mit dem ersten Vers bietet Matthäus anders als Lukas an, die Armut der Armen zu vergeistigen, deren konkrete Not zu spiritualisieren: Selig sind die Armen im Geiste, heißt es bei ihm.

Und wie so oft liegt in einem Mehr an Spiritualität ein weniger an Konkretheit, ein weniger an wirklichem, gelebtem Leben. Selbst wenn die „Armut im Geiste“ gar nicht verfälschend spirituell gemeint sein sollte, wie manche Ausleger aus guten Gründen meinen, reicht der kleine Zusatz des Matthäus, bei uns Hörern der Bergpredigt den Eindruck zu erwecken, hier gehe es um eine bloß geistliche, innere Not im Unterschied und im Gegensatz zur blanken, krassen, sichtbaren und konkreten Not von Armut und Hunger. Das aber hat Lukas anders von Jesus gehört – und heute wollen wir auf ihn hören: Selig seid ihr Armen; denn das Reich Gottes ist euer.

Dass ein solches Wort gefährlich werden kann, kann man sich denken – und kann man nachvollziehen im Blick auf die Ereignisse des Bauernkrieges vor 500 Jahren. Im Frühjahr des Jahres 1525 braut sich ein Sturm zusammen, der sich in immer wilderen und gewalttätigeren Gewittern entlädt und erst im folgenden Jahr zur Ruhe kommt. Eine lose, wirre Kette von Zusammenrottungen, Scharmützeln, Belagerungen, Besetzungen, Aufständen und Schlachten reiht sich durch dieses Jahr 1525; begleitet von einem unerhörten, bis dahin beispiellosen, bis zu dieser Zeit ungesehenen publizistischen Streit, der den eigentlich wenig kohärenten Geschehnissen im Süden und Osten Deutschlands erst einen Zusammenhang und den griffigen Namen „Bauernkrieg“ gibt. Flugblätter und -schriften sind genauso Waffen in diesem Krieg wie die Mistgabeln der Bauern und die Lanzen der Fürstenknechte.

Dass dieser Bauernkrieg nicht nur sozialer Aufruhr, nicht nur Armutsrevolte oder etwa „frühbürgerliche Revolution“ war, wie ihn die sozialistische Geschichtsschreibung früherer Zeiten taufte, sondern ein legitimes, bedeutendes Kapitel der Reformationsgeschichte, das liegt zuerst an der Motivation der Bauern in den Lehren der Bibel, die sie nun selbst lesen konnten, aber auch an der konkreten Beteiligung mancher Reformatoren in Tat und Wort auf beiden Seiten des Streits. In Thüringen predigte Thomas Müntzer den Bauern die radikale Reformation als Krieg der Bauern gegen die Obrigkeit, den Bauernkrieg – und das praktisch in Hörweite des Reformators Martin Luthers im benachbarten Sachsen (immer diese Ossis!).

Luther hatte sich schon ein paar Jahre zuvor in seinen berühmten Invokavitpredigten (!) gegen den Aufruhr in seinem Wohnort Wittenberg gewandt; Luther hatte Argumente formuliert, wie die Anliegen der Reformation von den Mitteln der Revolution zu unterscheiden waren; wie Formen der Freiheit zu unterscheiden und dennoch aufeinander zu beziehen waren; und wie Gesetz und Evangelium so zu unterscheiden waren, dass beide zu ihrem Recht kämen, als Gottes Gnade und Recht der Menschen.

Im Gegensatz dazu hatte sich Thomas Müntzer auf seinem unruhigen Weg durch das Land radikalisiert. Für ihn verschmolzen innere und äußere Freiheit. Für ihn war Befreiung von geistiger und äußerer Knechtschaft, Befreiung von geistiger und äußerer Armut, ein und derselbe Kampf – und ihre Unterscheidung eine theologische Spitzfindigkeit des – wie er sagte – „sanftlebenden Fleisches zu Wittenberg“. Wenn die aufständischen Bauern in Frankenhausen und anderswo Freiheit auf ihre Fahnen schrieben, dann meinten sie mit Müntzer, der ihnen dort vorneweg in den Tod lief, die Freiheit auch von obrigkeitlicher Willkür. Wenn die Bauern den Regenbogen auf ihre Fahnen malten, dann war ihnen das das Zeichen von Gottes Himmelreich, dem sie entgegenzugehen glaubten. Selig seid ihr Armen; denn das Reich Gottes ist euer.  Aber so kam es bekanntlich nicht.

Nach dem Alten Testament zeigt sich ein falscher Prophet am bösen Ausgang seiner Rede. Danach war Müntzer, der den Armen den Aufstand predigte und so 10tausende in den Tod schickte, ein falscher Prophet, der ihr Schicksal am Ende teilte. Ob dagegen sein Gegenspieler Luther ein wahrer Prophet war, ist nicht erst in jüngster Zeit mehr und mehr in Zweifel gezogen worden. Wie seine unsäglichen Tiraden gegen Juden wird sein Pamphlet gegen die „räuberischen und mordenden Rotten der Bauern“ zu Recht kritisiert und als unmenschlicher Mordaufruf an die Fürsten verurteilt, dem diese pflichtschuldigst nachkamen. Evangelisch war Luther hier nicht.

Was man ihm allerdings nicht vorwerfen kann, ist, dass er in der eigentlichen Sache inkonsequent gewesen wäre. Seine Position zu Aufruhr und Gewalt hatte sich wie gesagt Jahre zuvor schon herausgebildet und wird hier nur auf die neue Situation angewendet: Das Evangelium mit Gewalt durchzusetzen, verstößt seiner Meinung nach gegen Gottes Willen. Aus seiner Sicht, die Demokratie und Rechtstaatlichkeit noch nicht kannte und offensichtlich nicht kennen konnte, war ohnehin jede Obrigkeit besser als keine. Widerstand gegen die Fürsten war für ihn Widerstand gegen Gott. Schlimmer als ein armer Bauer, war ein armer Bauer, der im Chaos versinkt. Und wer das heute verurteilt, was man kann und muss, aber nur mit guten Gründen verurteilen sollte, sollte dabei auch bedenken, was uns selbst staatliche Ordnung wert ist – gerade auch in einer unübersichtlicher werdenden Welt.

Jeder menschlichen Ordnung des Staates ist das Reich Gottes, das Himmelreich – wie Jesus auch sagen kann – entgegengesetzt. Dieses Reich aufzurichten ist einzig und allein Gottes Sache. Und insofern die Bergpredigt von Gottes Reich und seinen Verhältnissen handelt – Selig seid ihr Armen; denn das Reich Gottes ist euernennt sie keine Forderungen an uns, formuliert keine Gebote, erlässt keine Gesetze. Die Erwartung des Reiches Gottes schenkt Freiheit. Als Hörer der Bergpredigt hören wir von etwas, das nicht wir, sondern Gott – und nur Gott – herbeiführen wird. Aus diesem Evangelium ein Gesetz zu machen, hieße es zu verkehren. Von den läppischen Versuchen, aus der Bergpredigt läppische Regeln ethischer Wellness abzuleiten, ganz zu schweigen.

Das heißt aber keinesfalls, dass uns die Bergpredigt etwa nichts anginge. Was hindert uns denn daran, die Verhältnisse des Himmelreiches auf unsere anzuwenden – ohne zu behaupten und ohne zu erwarten, dass dieses dann anbräche? Karl Barth hat davon gesprochen, dass das Evangelium auf dem Weg der Analogie zur Quelle unseres Handelns, des Gesetzes also, werden kann. Wenn Armut – entgegen allen anderslautenden Gerüchten – kein Naturgesetz ist, sondern einst von Gott beseitigt sein wird, warum sollten wir uns dann mit der Armut der Armen abfinden? Wenn Hunger nach Gottes Willen nicht sein soll, warum sollten wir denn nicht dazu helfen, Hungrige satt zu machen? Wenn die Weinenden wieder etwas zu lachen haben werden, warum sollten wir sie nicht aufmuntern? Wenn uns Gott zum Tanz bittet – sollten wir dann als Mauerblümchen sitzen bleiben, sollten wir dann nicht die anderen bitten, mitzutanzen ?

Selig seid ihr Armen; denn das Reich Gottes ist euer. Selig seid ihr, die ihr jetzt hungert; denn ihr sollt satt werden. Selig seid ihr, die ihr jetzt weint; denn ihr werdet lachen. Selig seid ihr, wenn euch die Menschen hassen und euch ausstoßen und schmähen und verwerfen euren Namen als böse um des Menschensohnes willen. Freut euch an jenem Tage und tanzt; denn siehe, euer Lohn ist groß im Himmel. Denn das Gleiche haben ihre Väter den Propheten getan.

Neues Kindermusical!

Nach den großen Erfolgen der letzten zwei Jahre startet der Kinderchor der Thomasgemeinde nun mit dem Proben für das nächste Musical. „Jetzt reicht’s“ sprach Gott (von W. Dulski und B. Antes) erzählt die Geschichte von Noah und der Sintflut. In fünf musikalischen Szenen wird die bekannte biblische Geschichte vom Bau der Arche, von Gottes Bund mit Noah und der Friedensbotschaft des Regenbogens zum Klingen gebracht. Wer Lust hat, bei dem Musical mitzumachen, meldet sich ab sofort bei Gabriela Blaudow.

Chorproben:

Montags 16.40-17.10 Uhr (Gruppe 1 ab 5 Jahren), 17.15-18.00 Uhr (Gruppe 2 ab 2. Kl.). Voraussichtliche Termine: Probentag: Samstag, 14. Juni; Vormittagsprobe: Sa, 28.6.; Aufführung: So, 29.6., 16.00 Uhr. Anmeldung und weitere Infos unter gabriela.blaudow@googlemail.com

Führung im Liebieghaus, Museumsufer Frankfurt

Donnerstag, 27. März 2025, 18.15-19.15 Uhr

Der Rimini-Altar zählt zu den größten und herausragendsten Alabaster-Ensembles Europas und bildet seit 1913 das Glanzstück der Mittelalter-Abteilung des Liebieghauses, der Skulpturensammlung des Frankfurter Städels. Die einstündige Führung durch die Mittelalter-Sammlung beginnt um 18.15 Uhr. Im Anschluss ist noch Zeit, sich in dieser Gründerzeitvilla am Schaumainkai die weiteren Schätze – Skulpturen aus Marmor, Holz, Terracotta, Bronze und Elfenbein von der Antike bis zum Klassizismus – anzuschauen.

Die Anreise erfolgt privat, z.B. mit der S-Bahn bis Frankfurt Hauptbahnhof und ca. 20 Minuten zu Fuß über den Holbeinsteg zum Museumsufer. Die Führung selbst ist für die Teilnehmenden kostenlos. Der Museumseintritt kostet 8 Euro.

Vor der Führung treffen wir uns, wer mag, um 17.00 Uhr im Café des Liebieghauses.

Da die Teilnehmerzahl auf 25 Personen begrenzt ist, bitten wir Sie um Ihre Anmeldung unter asmeine@gmx.de oder Tel. 0162 7474131.

https://www.liebieghaus.de/de/mittelalter

Tauffest im Kurpark am 18. Mai 2025

Am Sonntag, 18. Mai 2025, um 11.00 Uhr lädt das Evangelische Dekanat Wiesbaden Täuflinge und ihre Familien aus allen evangelischen Gemeinden zum Tauffest, einer großen Open Air-Veranstaltung im vorderen Teil des Kurparks ein. Es beginnt mit einem kurzen Gottesdienst an der Konzertmuschel. Im Anschluss werden Pfarrerinnen und Pfarrer des Dekanats an mehreren Taufstationen rund um den Teich taufen. Danach kann im Kurpark gepicknickt werden. 

Es gibt viele gute Gründe zur Taufe. Wenn Sie mehr dazu wissen möchten, schauen Sie gerne unter Tauffest 2025-Dekanat Wiesbaden, oder melden Sie sich unter Tel. 0611 734242-10, tauffest-wiesbaden@ekhn.de. Die Anmeldung zum Tauffest ist bis Dienstag, 22.4., möglich.

Sonntag Sexagesimae, 23. Februar 2025

Und Paulus sah eine Erscheinung bei Nacht: Ein Mann aus Makedonien stand da und bat ihn: Komm herüber nach Makedonien und hilf uns! Als er aber die Erscheinung gesehen hatte, da suchten wir sogleich nach Makedonien zu reisen, gewiss, dass uns Gott dahin berufen hatte, ihnen das Evangelium zu predigen.

Da fuhren wir von Troas ab und kamen geradewegs nach Samothrake, am nächsten Tag nach Neapolis und von da nach Philippi, das ist eine Stadt des ersten Bezirks von Makedonien, eine römische Kolonie. Wir blieben aber einige Tage in dieser Stadt. Am Sabbattag gingen wir hinaus vor das Stadttor an den Fluss, wo wir dachten, dass man zu beten pflegte, und wir setzten uns und redeten mit den Frauen, die dort zusammenkamen.

Und eine Frau mit Namen Lydia, eine Purpurhändlerin aus der Stadt Thyatira, eine Gottesfürchtige, hörte zu; der tat der Herr das Herz auf, sodass sie darauf achthatte, was von Paulus geredet wurde. Als sie aber mit ihrem Hause getauft war, bat sie uns und sprach: Wenn ihr anerkennt, dass ich an den Herrn glaube, so kommt in mein Haus und bleibt da. Und sie nötigte uns.

(Apostelgeschichte 16,9-14)

Mit meinen Schülerinnen und Schülern der 7. Klasse erarbeiten wir uns gerade die Anfänge des Christentums: Wie und auf welchen Wegen hat sich der christliche Glauben ausgebreitet und warum hat er sich schließlich durchgesetzt? Wie kommt es vor ziemlich genau 1700 Jahren zum Konstantinischen Zeitalter, das nun womöglich nach 1700 Jahren gerade allmählich zu Ende geht? Und wie gelangte der christliche Glauben zu uns nach Germanien jenseits des Rheins knapp vor dem Limes, an die Grenze der römischen, ach sagen wir gleich: an die Grenze der zivilisierten Welt?

Und weil Umwege nicht nur beim Predigen, sondern auch im Unterricht die interessantesten Wege sind, haben wir uns zumindest in Gedanken und mit Bildern erstmal in das römische Wiesbaden, das römische Frankfurt und das römische Mainz versetzt, um insbesondere die Religion zu kennenzulernen, auf die die christliche Religion stieß und die sie überraschenderweise verdrängte. An wen und was haben die Menschen geglaubt, die kurze Zeit später an Jesus Christus glaubten, haben wir uns gefragt. Nämlich an Jupiter und Juno, an Merkur und Vulkan, an Diana und Apollo, an Sol invictus und Mithras; und besonders in Wiesbaden an die Götter von Heil und Heilung, wie neben Diana Matthiaca und Apollo Toutiorix die romanisierte keltische Göttin Sirona, die an der Schützenhofquelle verehrt wurde, gegenüber von Aldi; noch heute wärmen sich die Obdachlosen unter ihrem Graffiti an der ihr geweihten heißen Quelle.

Zusammen mit diesen römischen und römisch verehrten Gottheiten fanden sich bisher keine Spuren des christlichen Glaubens bei uns aus derselben Zeit, bis kürzlich – bis kürzlich – in einem Gräberfeld in Frankfurt ein sensationeller Fund gemacht wurde, ein offensichtlich christlicher Text aus römischer Zeit in germanischer Erde.

„(Im Namen?) des Heiligen Titus.
Heilig, heilig, heilig!
Im Namen Jesus Christi, Gottes Sohn!
Der Herr der Welt
widersetzt sich nach [Kräften?]
allen Anfällen(?)/Rückschlägen(?).
Der Gott(?) gewährt dem Wohlbefinden
Eintritt.
Dieses Rettungsmittel(?) schütze
den Menschen, der sich
hingibt dem Willen
des Herrn Jesus Christus, Gottes Sohn,
da sich ja vor Jesus Christus
alle Knie beugen: die Himmlischen,
die Irdischen und
die Unterirdischen, und jede Zunge
bekenne sich (zu Jesus Christus).“

Das „Rettungsmittel“, von dem der kurze Text spricht, ist eine kleine Kapsel, kleiner als der kleine Finger, kürzer und dünner; eine Kapsel, in der eine entsprechend kleine Folie aus Silberblech gerollt war mit dem gerade verlesenen Text eines Gebets oder einer Beschwörungsformel. Nachdem sie vor ein paar Jahren im heutigen Frankfurt-Praunheim, dem römischen Nida, dem deutschen Pompeji, gefunden und aufwändig bearbeitet wurde, liegt sie mittlerweile in einer Vitrine, eher grau als silbern in einer Vitrine, ganz und gar unscheinbar im Archäologischen Museum in Frankfurt, das sonst nicht mit Sensationen glänzt.

Dieses Silberröllchen aber ist eine Sensation – manchen gelehrten Einwürfen zum Trotz – , in dem es das früheste Zeugnis des christlichen Glaubens abgibt nördlich der Alpen. Durch seinen Fundort in einem Grab lässt es sich ziemlich genau auf die Jahre 230-260 nach Christus datieren. Es markiert eine Zwischenstation zweihundert Jahre nach dem Wirken des Apostel Paulus, von dem wir heute hören, bis zum endgültigen Sieg des Christentums im römischen Reich, der Konstantinischen Wende, abermals 100 Jahre später.

Mit diesem Silberröllchen sehen wir, wie das christliche Abendland im Gebiet des heutigen Deutschland begann. So wie wir im Predigttext hören, wie Paulus den christlichen Glauben nach Europa trug. Dass sich hier Unterschiede zeigen, ist zu erwarten, ist selbstverständlich. Die Inschrift eines Amuletts als Grabbeigabe benennt notwendigerweise anderes als der Reisebericht über einen Apostel oder dieser selbst in seinen Briefen. Interessanter, überraschender, ja sensationeller sind für mich die Gemeinsamkeiten und Berührungspunkte. Wenn sich nämlich im Grab einer Soldatensiedlung an der äußersten Grenze des Römischen Reiches, dem Limes, zweihundert Jahre nach dem Wirken des Apostel Paulus Anspielungen von erstaunlicher Eindeutigkeit finden:

  • Ein Titus, also jemand mit demselben Namen wie einer der Reisegefährten des Paulus und überdies Adressat eines Paulusbriefes, wobei an dieser Stelle unerheblich ist, ob jener Brief tatsächlich von Paulus selbst an Titus geschrieben wurde. Dieser Text scheint ihn jedenfalls zu kennen.
  • Das berühmte „Heilig, Heilig, Heilig“, das zuerst in der jüdischen Liturgie und dann eben auch im christlichen Gottesdienst gesungen wurde, wobei die Grenzen zwischen Juden und Christen zu dieser Zeit noch weniger definiert waren als später. Paulus selbst geht ja zuerst bei seinen Reisen zu den jüdischen Gemeinden und findet wie in unserer Predigttextstelle unter ihnen und ihren Sympathisanten, den „Gottesfürchtigen“, an einem Sabbat die ersten Hörer seiner Worte.
  • Gleich dreimal nennt das Amulett Jesus Christus, kürzt den Heilandsnamen auf die damals übliche Art mit griechischen Buchstaben ab: Chi Rho; ergänzt durch den Hoheitstitel Sohn Gottes. Eindeutiger christlich geht’s jetzt wirklich nicht; und auch Paulus verwendet den Titel Gottessohn völlig selbstverständlich.
  • Und schließlich findet sich sogar ein direktes Zitat aus einem der Briefe des Paulus auf der Silberschrift: Dass sich vor Jesus Christus beugen sollen alle Knie, die Himmlischen, die Irdischen und die Unterirdischen und jede Zunge sich bekennen möge – das steht genauso im Brief des Paulus an die Philipper im berühmten Christushymnus, den Paulus hier seinerseits zitiert. Zufall kann das nicht sein. Fügung muss es nicht sein. Aber was ist es dann?

Offensichtlich wissen wir von dem weiten Weg des christlichen Glaubens in den ersten Jahrhunderten nur Anfang und Ziel, also vom Anfang bei den Jüngern Jesu und vom Ziel, der Anerkennung des Christentums durch Kaiser und Reich. Dazwischen liegen verschlungene Wege, Umwege bestimmt auch, weite Wege bis an die Grenzen des Reiches, bis an die „Enden der Erde“, wie es in der Apostelgeschichte gelegentlich heißt. Bis an den Limes gleich hinter Hoher Wurzel und Platte ist das Wort des Glaubens jedenfalls gekommen.

Trotz aller Bemühungen, den Gang des Wortes zu steuern und den Glauben zu definieren, wie etwa auf dem berühmten Konzil von Nizäa im Jahr 325, also vor genau 1700 Jahren, erstreckt sich eine Vielfalt christlicher Wege und Glaubensweisen, damals wie heute. Der Schreiber und Träger des Amuletts aus Praunheim drückt seinen Glauben anders aus als ein Schüler heute oder als ein Lehrer heute oder als ein Professor heute; aber diese wiederum anders als die versammelten Bischöfe in Nizäa oder etwa ein irischer Mönch, der nach hunderten von Jahren, in denen hier in dieser Gegend der Glaube in Vergessenheit geriet, ihn neu entfachen konnte; aber diese wiederum anders als der mächtige Erzbischof von Mainz oder sein Gegenspieler, der Reformator Martin Luther von jenseits der Elbe, der auch mal über den Rhein und durch Frankfurt kam; aber beide anders als die immer noch vielen Glaubenden heutzutage, wenn der christliche Glauben nicht mehr Mehrheitsreligion ist in unserer Gegend und das Konstantinische Zeitalter bei uns zu einem Ende gekommen zu sein scheint – während an vielen anderen Orten der Welt der christliche Glauben immer noch wächst.

Alle so unterschiedlich Glaubenden aber, die Genannten und viel mehr Ungenannte, beziehen sich auf je eigene, höchstpersönliche Weise auf das Wort Gottes, auf Jesus Christus, Gottes Sohn, als ihren Maßstab und Referenzpunkt, ihre Sonne und Licht, ihren Weg, ihre Wahrheit und ihr Leben. Sie sind angetrieben – wir sind das – von dieser Gewissheit, die schon Paulus aus Asien nach Europa brachte, von der wir heute hören: gewiss, dass uns Gott dahin berufen hatte, ihnen das Evangelium zu predigen. Und wir sind darauf angewiesen, über dieses Wort ins Gespräch zu kommen, uns gegenseitig in Vielfalt und Einheit des Glaubens wahrzunehmen: Wenn ihr anerkennt, dass ich an den Herrn glaube, so kommt in mein Haus und bleibt da.

Damit ist übrigens auch eine vorläufige Antwort auf die Frage angedeutet, wie und warum sich der christliche Glauben gegen die religiöse Konkurrenz durchsetzen konnte: Kommt in mein Haus und bleibt da. Sozialer Zusammenhalt, gegenseitige Hilfe, persönliche Bindungen, Nächstenliebe – das waren nach Meinung der Gelehrten die entscheidenden Unterschiede zu anderen Kulten in der römischen Antike, die das Christentum erfolgreich machten. Amen.

Führung bei den Derix Glasstudios

Ökumenischer Ausflug mit St. Mauritius nach Taunusstein am 14.2.25: Beim Rundgang durch die Werkstätten und die Galerie erläuterte uns Gesellin Leandra die Details der verschiedenen Glasverarbeitung und -veredelungstechniken, gab sachkundig Antwort auf alle Fragen und zeigte uns die erstaunliche Vielfalt zeitgenössischer Glaskunst.