
Mitfahrgelegenheit von der Thomaskirche aus: Melden Sie sich gerne im Gemeindebüro zu den Öffnungszeiten.
Wiesbaden

Mitfahrgelegenheit von der Thomaskirche aus: Melden Sie sich gerne im Gemeindebüro zu den Öffnungszeiten.
Rückblick zum Sonntag, 18. Mai 2025








Fotos: ©Volker Watschounek/Wiesbaden lebt, für das Dekanat Wiesbaden
Ein Festtag im Freien: Mit einem Familiengottesdienst im Wiesbadener Kurpark am Gustav-Freytag-Denkmal – gestaltet von den Pfarrerinnen Bettina Friemelt und Nicole Oehler sowie Dekanin Arami Neumann – begann das zweite Open-Air Tauffest des Dekanats Wiesbaden. Im Anschluss erhielten 19 Täuflinge, begleitet von ihren Freunden und Familien, die Taufe: jede und jeder in einer eigenen Taufzeremonie an mehreren Taufstationen auf der Wiese.
Was bleibt eigentlich jetzt noch zu sagen? Nachdem sicherlich nicht alles, aber doch so vieles gesagt wurde im vergangenen Jahr eurer Konfirmandenzeit. Bei unseren Treffen am Donnerstag, in den Gottesdiensten am Sonntag, auf den Freizeiten im Westerwald und in Waldkappel am Fuße des Hohen Meißners, ganz schön weit von hier – dort hinten im hessischen Teil Sibiriens, wo einem im Winter die Zehen abfrieren und die Sonne nicht aufgeht – ok, das war jetzt übertrieben, aber nur ein bisschen.
Es gibt Kollegen von mir, die die Versäumnisse des Konfirmandenjahres durch eine möglichst umfassende und ausführliche Konfirmationspredigt auszugleichen versuchen; auch unter dem Gesichtspunkt, dass realistischerweise Gott der Herr mir Euch heute ein – hoffentlich vorläufig! – letztes Mal in die Hand gegeben hat. Eine verständliche, aber doch wenig aussichtsreiche Taktik, der ich heute mal nicht folge.
Denn dass bei den vielen Worten, die wir bei all solchen genannten Gelegenheiten während des Konfirmandenjahres machen, notwendigerweise viel mehr ungesagt bleibt als gesagt wird, das hätte ich euch gerne vermittelt. Gott der Schöpfer ist unausschöpflich, Gott läuft über vor Leben und Liebe, läuft über vor Gerechtigkeit und Wahrheit. Herr, deine Güte reicht, soweit der Himmel ist, und deine Wahrheit, soweit die Wolken gehen.
Alle unsere Worte, selbst wenn sie einigermaßen zutreffen, können doch nie Gott selbst fassen. Aber indem unsere Worte Teil eines großen Gesprächs werden, Teil der langen Geschichte Gottes mit den Menschen werden, kommt ihnen Bedeutung und Sinn und im besten Fall Wahrheit zu. Auf andere Weise als im Gespräch mit anderen, lässt sich von Gott nichts erfahren. Und selbst wenn wir dann Teile davon aufschreiben, wie das die Menschen von alters her getan haben, wie in den Geschichten der Bibel, bleiben das Szenen und Kapitel eines langen Stroms der Erzählungen; bleiben das Teile und einzelne Gesprächsgänge des einen großen Gesprächs Gottes mit den Menschen mit Gott.
Da also alle Gottesdinge zutiefst menschlich sind, bedarf es dafür menschlicher Intelligenz; nicht ganz dieselbe, die uns bei einer Physikaufgabe hilft oder bei einer Übersetzung; aber eigentlich schon dieselbe, insofern sie eben menschlich und nicht künstlich ist; und unsere menschliche Urteilsfähigkeit stärkt. Wenn euch in religiösen Themen nicht mehr jeder jeden Quatsch erzählen kann, wäre das ein gewünschter Effekt unseres Unterrichts. Selbst denken, macht klug, auch in der Religion.
Ich persönlich finde daher die Produkte Künstlicher Intelligenz oft nicht besonders intelligent, sondern gelegentlich sogar ziemlich doof: Wissen Sie Herr Pfarrer, dass, was Sie da vorhin gesagt haben, ist ganz anders als das, was mir ChatGPT sagt – Das will ich doch hoffen!
– auch wenn die, die sich die Computerprogramme dafür ausgedacht haben, natürlich um Längen intelligenter sind als ich – allerdings auch als ihre Anwender. Aber deren Produkte spiegeln sehr deutlich wider, dass hier nicht nur Wissen, sondern auch Irrtümer gesammelt, regelrecht aufgetürmt, dann kombiniert und so präsentiert werden, dass es dem Nutzer gefallen könnte: „Halluzinieren“ und „Schleimen“ heißt das wohl im KI-Jargon; und jeder kennt beides aus der Schule.
Natürlich ist es einfacher, das haben wir alle gelernt, die Lösungen vom Nachbarn abzugucken oder sich im Extremfall einen Aufsatz schreiben zu lassen. Aber es ist offensichtlich Quatsch, das dann für meine eigenen Gedanken zu halten; obwohl ich mich auf Gedeih und Verderb für den von mir vorgelegten Quatsch verantwortlich mache. Selbst denken, macht klug, auch in der Religion.
Ein solcher Satz widerspricht witzigerweise einem verbreiteten Vorurteil über die Religion, dass sie nämlich im Nachbeten autoritärer Floskeln bestünde. Aber das ja nun gerade dann nicht, wenn doch Religion die Teilnahme an einem Gespräch ist. Und je interessanter – also interessierter, kritischer, auch selbstkritischer – die Gesprächspartner, desto interessanter das Gespräch. In manchen glücklichen Momenten haben wir das gemeinsam erlebt im vergangenen Jahr.
Es gibt wenige interessantere Gesprächspartner als die Autoren und die Figuren der Bibel; und das gerade nicht, weil die Bibel in einem nicht zu hinterfragenden Sinn wahr und deshalb fraglos zu glauben wäre. Wie gesagt, wir wollen die Bibel nicht für einen autoritären Klotz halten, den jemand aus dem Himmel wirft und damit unseren Kopf verletzt. Sondern die Bibel ist deshalb so interessant, weil sie das menschliche Gespräch Gottes mit den Menschen mit Gott notiert, und zwar über Jahrhunderte; weil es sich deshalb lohnt, in ein Gespräch mit ihnen zu treten; weil es erfüllt und regelrecht glücklich machen kann, sich von ihnen etwas sagen zu lassen. Und sei es nur ein Schnipsel aus der Bibel, wie euer Konfirmationsspruch. Manchmal steckt da so viel drin, dass es für ein ganzes Leben reicht und interessant bleibt – manchmal sogar darüber hinaus.
So ähnlich hat offensichtlich einer vor etlichen hundert Jahren gedacht, der im heutigen Frankfurt-Heddernheim, dem römischen Nida, dem „deutschen Pompeji“ zu Grabe getragen wurde. Um seinen Hals hat ein Silberamulett die Jahrhunderte überdauert, und darin eine hauchdünne, brüchige Folie mit dem ältesten Zeugnis christlichen Glaubens nördlich der Alpen. Was sich wie eine Sensation anhört, war auch eine, auch wenn vielleicht nicht genau die, zu der sie die Lokalpresse gemacht hat, dass nämlich der erste und älteste Christ nördlich der Alpen ein Frankfurter gewesen sei, frei nach dem lokalstolzen Motto des großen Friedrich Stolze: Eins geht mir net in de Kopp enei, wie kann e Mensch net von Frankfurt sei.
Also: Ob dieser Mensch im Grab aus Frankfurt war, ob das Amulett aus Frankfurt stammt, ob der Verstorbene den Text kannte oder sogar selbst lesen oder vielleicht sogar selbst schreiben konnte, kann kein Mensch wissen, aber dass dieser Text, den er bei seiner Auffindung um den Hals trug, der älteste christliche Text nördlich der Alpen und deshalb eine Sensation ist, ist nicht zu bestreiten.
Und da ich jetzt gerade keine weiteren Sensationen im Ärmel habe, und also nicht so genau weiß, was ich hier und heute noch sinnvoll sagen könnte, lese ich euch einfach einen Text aus der Bibel vor, den Predigttext für den heutigen Sonntag, das Gebet eines Apostelschülers, die Fürbitten an seine Gemeinde, meine Fürbitten für euch heute:
Deshalb beuge ich meine Knie vor dem Vater,
15von dem jedes Geschlecht im Himmel und auf Erden seinen Namen hat,
16dass er euch Kraft gebe nach dem Reichtum seiner Herrlichkeit, gestärkt zu werden durch seinen Geist an dem inwendigen Menschen,
17dass Christus durch den Glauben in euren Herzen wohne. Und ihr seid in der Liebe eingewurzelt und gegründet,
18damit ihr mit allen Heiligen begreifen könnt, welches die Breite und die Länge und die Höhe und die Tiefe ist,
19auch die Liebe Christi erkennen könnt, die alle Erkenntnis übertrifft, damit ihr erfüllt werdet, bis ihr die ganze Fülle Gottes erlangt habt.
20Dem aber, der überschwänglich tun kann über alles hinaus, was wir bitten oder verstehen, nach der Kraft, die in uns wirkt, 21dem sei Ehre in der Gemeinde und in Christus Jesus durch alle Geschlechter von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen. (Epheser 3,14-21)
Und Salomo trat vor den Altar des Herrn angesichts der ganzen Gemeinde Israel und breitete seine Hände aus gen Himmel und sprach: Herr, Gott Israels, es ist kein Gott weder droben im Himmel noch unten auf Erden dir gleich, der du hältst den Bund und die Barmherzigkeit deinen Knechten, die vor dir wandeln von ganzem Herzen; der du gehalten hast deinem Knecht, meinem Vater David, was du ihm zugesagt hast. Mit deinem Mund hast du es geredet, und mit deiner Hand hast du es erfüllt, wie es offenbar ist an diesem Tage. Nun, Gott Israels, lass dein Wort wahr werden, das du deinem Knecht, meinem Vater David, zugesagt hast.
Denn sollte Gott wirklich auf Erden wohnen? Siehe, der Himmel und aller Himmel Himmel können dich nicht fassen – wie sollte es dann dies Haus tun, das ich gebaut habe? Wende dich aber zum Gebet deines Knechts und zu seinem Flehen, Herr, mein Gott, auf dass du hörst das Flehen und Gebet deines Knechts heute vor dir: (1. Könige 8, 22-24.26-28)
Joachim Neander, dessen Name ungleich glanzloser im deutschen Original als in seiner griechischen Aufwertung klingt, Joachim Neander, liebe Schwestern und Brüder, der Dichter eines unserer populärsten Kirchenlieder, „Lobe den Herren“, hat mit Freude das Lob Gottes in die Natur unter freien Himmel getragen, so wie wir ja auch und nicht nur heute. Joachim Neander hat das „Christenergötzung im Grünen“ genannt, darin wollen wir ihm folgen.
Sein Lieblingsort im Freien war nicht der Kurpark zu Wiesbaden, sondern das liebliche Tal der Düssel, das in felsig-waldiger Gegend zum Rhein führt, nach Düsseldorf nämlich, nur dass es schon seit langem seinen, des singenden Pfarrers Namen trägt, eben das „Neandertal“.
Und so heißt übrigens der Urmensch, dessen Skelett dort ausgegraben wurde, Neandertaler; er verdankt also seinen Namen zumindest indirekt, was nicht alle wissen, dem evangelischen Dichterpfarrer Joachim Neander.
Neandertaler haben in den 40000 Jahren ihres Ausgestorbenseins eher an Popularität gewonnen. Was für uns früher die Familie Feuerstein war, sind heute für unsere Kinder die Croods, Urmenschen mit fliehender Stirn, grober Natur und schlichter Gesinnung.
„Verlasse nie die Höhle!
Hab niemals keine Angst!
Alles Neue ist schlecht!“
Dieses Lebensmotto aus dem sehr unterhaltsamen Animationsfilm The Croods über eine Familie von Höhlenmenschen aus dem Jahr 2013 (also der Film nicht die Familie!), diese Lebensregel von Höhlenmenschen klingt gelegentlich auch in uns und unter uns noch nach, so wie ja auch einige Gene der Neandertaler noch in uns wirken, die wir uns für Homo sapiens halten.
Und wenn man im Landesmuseum Darmstadt vor einer Rekonstruktion des Neandertalers steht, blickt man in den Spiegel seiner selbst – Siehe da, ein Mensch! Nicht gerade hübsch, aber halt ganz so wie wir auch.
„Verlasse nie die Höhle!
Hab niemals keine Angst!
Alles Neue ist schlecht!“
Mit diesen Regeln versucht der Familienvorstand im Film seine freiheitsliebende Tochter in der Höhle zu halten. Diese Tochter Eep scheint wie so manche Pubertierende ein wenig aus der Art geschlagen und würde viel lieber unter freiem Himmel, hinaus in die Welt, hinaus in das Leben ihrer Jugend genießen, die Gefahren der Freiheit erfahren – und bestehen, was sie mit ihrer Familie in zahlreichen haarsträubenden Abenteuern in einer sich drastisch verändernden Welt dann tatsächlich auch tut.
Von den Steinzeitmenschen lernen, heißt überleben lernen; aber eben nicht, indem wir ihnen folgen, sondern indem wir unsere eigenen, neuen Wege finden.
Denn aus den einstürzenden Altbauten unserer Gewissheiten heraus, aus dem Dunkel ins Licht, aus dem Gestern ins Morgen, aus der Höhle hinaus unter den freien Himmel – auf diesen Weg ruft uns Gott, ganz besonders an einem solchen Tag wie Himmelfahrt, wenn das reichlich unwahrscheinliche aber umso spektakulärere Wunder der Himmelfahrt seines Sohnes uns aus den Höhlen lockt („Was ist denn da wieder los?!“), unseren Blick in den Himmel lenkt, und die himmlische Freiheit der Kinder Gottes ahnen lässt. Wenn uns also zugerufen wird:
Verlasst eure Höhlen!
Fürchtet euch nicht!
Singt dem Herrn ein neues Lied, denn er tut Wunder!
Oh what a wonderful world this could be.
Diesen Weg aus der Höhle heraus unter den freien Himmel beschreibt seit sehr, sehr langer Zeit ein Gleichnis, das Höhlengleichnis des ollen Griechen Platon: Es beschreibt unsere menschliche Existenz als Gefangenschaft in einer Höhle, die wir Menschen aber für das einzige, eigentliche und wahre Leben halten. Dabei ist alles, was wir sehen und erleben nur der Schatten der Dinge, die von einem Licht außerhalb der Höhle angestrahlt werden. Wenn nun einer kommt, der uns Menschen von einem Leben draußen in Freiheit unter freiem Himmel erzählt und uns herausführen will aus unserer Höhle, wenden wir uns misstrauisch, aggressiv dagegen und beharren dummdreist auf unsere selbstverschuldete Unmündigkeit.
Denn selbstverschuldet ist sie ja, sobald wir von anderen Möglichkeiten wissen, sobald wir vom Himmel außerhalb der Höhle hören. Und so übertönen wir alsbald den Ruf der Freiheit abermals mit dem Geschrei der Unmündigkeit.
„Verlasse nie die Höhle!
Hab niemals keine Angst!
Alles Neue ist schlecht!“
Aber wer könnte dem gegenüber – dem entgegengesetzt – garantieren, dass der Rufer einer neuen Freiheit recht hat? Dieser Rufer könnte sich doch irren; er könnte sogar Böses im Schilde führen – und nicht selten führt doch gerade der angestrebte Weg in die Freiheit geradewegs ins Verderben, in noch tiefere, dunklere Höhlen zurück, gar in die Hölle hinab. Aus solchen Sorgen gespeist funktionierte die Lebensregel der Höhlenmenschen erstaunlich lange.
Neandertaler haben sich ziemlich lange gehalten – bis ihnen dann doch eine fatale Verbindung aus Klimawandel, Konkurrenz und Mitgliederschwund den Garaus gemacht hat. Man schreibt ihnen, wie immer man das belegen wollte, zu, „Fortpflanzungsmuffel“ gewesen zu sein, was aber schonmal für das unternehmungslustige Höhlenmädchen in unserem Film nicht zutrifft. Auch das kein Zufall, denn sie führt ihre Familie und uns mit ihr aus der Höhle heraus – heraus unter den freien Himmel.
Dieser Himmel, auf den wir heute aufmerksam gemacht werden, steht für Gottes ungeahnte Möglichkeiten: Siehe, der Himmel und aller Himmel Himmel können dich nicht fassen, ruft der weise Salomo in denselben. Da ist so viel mehr zwischen Himmel und Erde, als unsere Schulweisheit zu wissen glaubt. Gott und seine Möglichkeiten sind – wenn wir es denn glauben wollen – größer und weiter als unsere Ängste und Sorgen; so wie seine Liebe größer ist als unser Hass; so wie seine Gnade größer ist als unsere Schuld; seine Hoffnung so viel größer als unser Kleinmut. Davon sollen wir heute an Himmelfahrt eine Ahnung bekommen.
Höhle zu Himmel verhalten sich wie Himmel und aller Himmel Himmel – da ist immer mehr und Größeres bei Gott, auf den wir auf unserem Weg nach draußen vertrauen können. Eine Garantie, dass unsere Unternehmungen gelingen, ist das nicht, aber Grund zur Zuversicht jedenfalls.
Also, Brüder und Schwestern: Zur Sonne, zur Freiheit, zum Himmel, zum Licht, Fürchtet euch nicht!

(Werner Tübke: Bauernkriegspanorama (Ausschnitt), Bad Frankenhausen; Foto: K. Neumann)
Im Jahr 1525 ereignet sich an vielen Orten zwischen Bodensee und Harz ein „Bauernkrieg“ als Reihe von bewaffneten Aufständen des „gemeinen Mannes“, die sich unter den berühmten „Zwölf Artikeln“ gegen Unrecht und Willkür wehren und dabei auch Hilfe durch Theologen der Reformation wie Thomas Müntzer erhalten. Die Aufstände stehen einerseits in einer langen Tradition bäuerlicher Erhebungen seit dem Mittelalter und gehören andererseits durch die zeitliche Folge wie dem Versuch ihrer evangelischen Begründung in die Geschichte der Reformation. Sowohl Anhänger als auch Gegner der Bauern wie der Reformation haben diese doppelte Verbindung verteidigt bzw. angeklagt. Martin Luther musste sich heftiger Vorwürfe erwehren, er würde entweder die Reformation verraten oder Gewalt gegen die Obrigkeit rechtfertigen. Am Ende wütet Luther unter dem Eindruck des gewalttätigen Aufruhrs gegen die „mordenden Rotten der Bauern“, welche ihrerseits zu Zehntausenden den viel besser ausgerüsteten Heeren der Fürsten zum Opfer fallen. Bezugnahmen und Einordnungen, Anknüpfungen und Inanspruchnahmen sind bis heute schwierig und widersprüchlich: In Thüringen erinnert in diesem Jahr eine große Ausstellung unter dem Titel „Freiheit!“ an den Bauernkrieg, während in Baden-Württemberg unter dem Titel „Aufruhr“ zum Gedenken eingeladen wird. In der DDR wurde die „Frühbürgerliche Revolution“ gefeiert als Vorläuferin der Französischen und der Russischen Revolution; im Westen galt der Bauernkrieg als heikles Kapitel der Reformationsgeschichte.
Klaus Neumann

Die Skulpturensammlung des Frankfurter Städel im Liebieghaus am Schaumainkai war das Ziel des ökumenischen Ausflugs mit unseren katholischen Nachbarn von St. Mauritius am 27. März 2025. Durch die Mittelalter-Sammlung führte Frau Reith-Deigert. Die Kunsthistorikerin vermittelte uns zu ausgewählten Sammlungsstücken den jeweiligen Hintergrund und machte uns auf eine Fülle interessanter Details und Querverbindungen aufmerksam. Besonders intensiv konnten wir den Rimini-Altar aus Alabaster von 1430 als Hauptstück der Sammlung betrachten.




(Fotos: privat)




(Fotos: Ev. Dekanat 2023)
Am Sonntag, 18. Mai 2025, um 11.00 Uhr lädt das Evangelische Dekanat Wiesbaden Täuflinge und ihre Familien aus allen evangelischen Gemeinden zum Tauffest, einer großen Open Air-Veranstaltung im vorderen Teil des Kurparks ein. Es beginnt mit einem kurzen Gottesdienst. Im Anschluss werden Pfarrerinnen und Pfarrer des Dekanats an mehreren Taufstationen rund um den Teich taufen. Danach kann im Kurpark gepicknickt werden.
Es gibt viele gute Gründe zur Taufe. Wenn Sie mehr dazu wissen möchten, schauen Sie gerne unter Tauffest 2025-Dekanat Wiesbaden, oder melden Sie sich unter Tel. 0611 734242-10, tauffest-wiesbaden@ekhn.de. Die Anmeldung zum Tauffest ist bis Dienstag, 22.4., möglich.
HERR, du hast mich überredet, und ich habe mich überreden lassen. Du bist mir zu stark gewesen und hast gewonnen; aber ich bin darüber zum Spott geworden täglich, und jedermann verlacht mich.
Denn sooft ich rede, muss ich schreien; »Frevel und Gewalt!« muss ich rufen. Denn des HERRN Wort ist mir zu Hohn und Spott geworden täglich.
Da dachte ich: Ich will nicht mehr an ihn denken und nicht mehr in seinem Namen predigen. Aber es ward in meinem Herzen wie ein brennendes Feuer, in meinen Gebeinen verschlossen, dass ich’s nicht ertragen konnte; ich wäre schier vergangen.
Denn ich höre, wie viele heimlich reden: »Schrecken ist um und um!« »Verklagt ihn!« »Wir wollen ihn verklagen!« Alle meine Freunde und Gesellen lauern, ob ich nicht falle: »Vielleicht lässt er sich überlisten, dass wir ihm beikommen können und uns an ihm rächen.«
Aber der HERR ist bei mir wie ein starker Held, darum werden meine Verfolger fallen und nicht gewinnen. (Buch des Propheten Jeremia 20)
Liebe Gemeinde,
von der Last des prophetischen Amtes ist hier beim Propheten Jeremias die Rede – und soll also heute die Rede sein. Von den Widrigkeiten der öffentlichen Wortverkündigung, von den Widerständen, die ein Knecht Gottes erfährt. So schwer kann die Last werden, dass die Füße nicht mehr gehen wollen, die Stimme bricht, der Rücken sich krümmt. Das Amt zu schwer wird – vielleicht von Anfang an zu schwer war.
In diesem Jahr 2025, erinnern wir uns an ein Geschehen vor 500 Jahren, wenn ich richtig rechne also 1525, das trotz mancher Versuche der Umbenennung immer noch Bauernkrieg heißt, und aus guten Gründen so heißt: Bauernkrieg. In diesem – noch aus der zeitlichen Ferne vielfach herzzerreißenden Geschehen von Aufruhr und Unterdrückung, Gewalt und Gegengewalt, von ungeheuren Opfern, von 100.000 Toten ist zu reden; erheben auch Geistliche, Diener Gottes, Propheten die Stimme; besonders laut, bisweilen schrill Thomas Müntzer.
„Darum seid getrost und tut Gott den Dienst und vertilget diese untüchtige Oberkeit. Dann was hilfts, ob wir schon Frieden machten mit ihnen, denn sie wollen doch fortfahren, uns nicht freilassen, treiben uns zu Abgötterei. Nun seind wir schuldig, lieber zu sterben, denn in ihr Abgötterei zu verwilligen. Es were je besser, daß wir Merterer wurden, dann daß wir leiden, daß uns das Evangelium entzogen werd und wir zu der Pfaffen Mißbrauche gedrungen werden. Darüber weiß ich gewißlich, daß Gott uns helfen würd und uns Sieg geben, denn er hat mir mündlich solches zugesagt und befohlen, daß ich alle Stend soll reformieren. …
Laßt euch nicht erschrecken das schwach Fleisch und greift die Feind kühnlich an, dörft das Geschütz nit förchten, dann ihr sollt sehen, daß ich alle Büchsenstein in Ärmel fassen will, die sie gegen uns schießen. Ja ihr sehent, daß Gott auf unser Seiten ist, denn er gibt uns jetzund ein Zeichen. Sehent ihr nicht den Regenbogen am Himmel? Der bedeut, daß Gott uns, die wir den Regenbogen im Banner führen, helfen will und dreuet den mördrischen Fürsten Gericht und Strafe. Darum seind unerschrocken und tröstet euch göttlicher Hilf und stellt euch zu Wehre. Es will Gott nicht, daß ihr Fried mit den gottlosen Fürsten machet.“ (Letzte Predigt Müntzers vor der Schlacht bei Frankenhausen 15. Mai 1525)
Thomas Müntzer von Allstedt am Harz, Reformator der ersten Stunde, Wegbereiter der evangelischen Lehre, Autor der ersten Gottesdienstordnung in deutscher Sprache, Dichter geistlicher Lieder, deren einziges, das noch im Gesangbuch steht, wir heute gesungen haben; aber auch unruhiger mit unstetem Leben, Wanderer am – wie er es sah – Ende der Zeiten, Getriebener des Geistes, wobei nicht immer klar war, ob das ein heiliger war; Vertriebener aus eigentlich allen Orten und Ämtern und am Ende, nachdem er durch seine letzte, fanatische Predigt die Aufständischen in Frankenhausen in Schlacht und Tod gesendet hat, selbst grausam gefoltert und ermordet durch die Knechte der Fürsten; Opfer seines Eifers, der Verhältnisse, der grausamen Rache einer unbarmherzigen Obrigkeit; durch das Schwert umgekommen, das er selbst in die Hand genommen hat.
An ihm, dem Propheten, der sich verlaufen hat, wird in völlig übertriebener, geradezu karikaturhafter Weise sichtbar und unübersehbar deutlich, was das ist, ein geistliches Amt;
was er zu tragen hat: ein Gottesmann; was er auszuhalten genötigt wird als Stimme Gottes. Viel mehr jedenfalls, als jemand, als ein Mensch aushalten und tragen kann. Und das nicht nur wegen der unerträglichen Verzerrung des Amtes, die er selbst vollzieht; sondern weil das geistliche Amt immer schon und von sich eine Überforderung, eine Überdehnung, eine Verzerrung in sich trägt; strukturell sozusagen, unausweichlich; das gehört zum Amt dazu. Denn: als gottloser Sünder soll ich Gott verkündigen; aus jenseitiger Ferne von Gottes Nähe sprechen; als Mensch Gott loben. Wie soll das gehen?
Ich, gottloser Sünder, will Gott loben: Das formuliert den Auftrag und zugleich den Zwiespalt des geistlichen Amtes, von dem auch Jeremias spricht und unter dem er leidet. Von der Gottlosigkeit der Menschen, seiner selbst natürlich auch, und der Gottheit Gottes soll er sprechen. Das Prophetenamt benennt eine unmögliche Möglichkeit. Wie könnte er daran nicht zerbrechen?
Von keinem anderen Propheten überliefert die Bibel eine so ergreifende Leidensgeschichte. Weich wie grüner Weizen fühlt sich Jeremia seiner frühen Berufung nicht gewachsen. Der prophetische Auftrag quält Jeremia und macht sein Herz krank. Was Gott ihm zumutet, empfindet Jeremia als bewusste Täuschung. Jeremia muss Israel den Untergang verkündigen und darf noch nicht einmal beten für sein Volk. Dafür wird Jeremia gehasst, verfolgt, eingesperrt, gefoltert, tödlich bedroht. Etwa 40 Jahre ist Jeremia mit Worten, Schrift, Aktionen und seiner gesamten Existenz der Mund Gottes. Dabei lässt Jeremia auch seine eigene Stimme, sein heulen hören. Eindrücklich ist sein inneres und äußeres Leiden dokumentiert. In direkter Fortsetzung unseres Predigttextes klagt Jeremia sein Leid, verflucht sein Leben:
Verflucht sei der Tag, an dem ich geboren bin; der Tag soll ungesegnet sein, an dem mich meine Mutter geboren hat!
Verflucht sei, der meinem Vater gute Botschaft brachte und sprach: »Du hast einen Sohn«, so daß er ihn fröhlich machte!
Der Tag soll sein wie die Städte, die der HERR vernichtet hat ohne Erbarmen. Am Morgen soll er Wehklage hören und am Mittag Kriegsgeschrei,
weil er mich nicht getötet hat im Mutterleibe, so daß meine Mutter mein Grab geworden und ihr Leib ewig schwanger geblieben wäre!
Warum bin ich doch aus dem Mutterleib hervorgekommen, wenn ich nur Jammer und Herzeleid sehen muß und meine Tage in Schmach zubringe!
Auch in Jeremia, seinem beinahe nihilistischen Ausbruch zeigt sich – übertreibend, vergrößernd und vergröbernd – der Riss, der Zwiespalt dessen, der Gott verkündigt: Ich, gottloser Sünder, will Gott loben. Wie soll das gehen?
Es geht nicht von mir aus, nicht aus eigener Kraft, nicht aus eigener Macht und Herrlichkeit. Kein Prophet kann selbst für seine Worte einstehen. Kein Prophetisches Leben die eigene Lehre beglaubigen. Wir können unsere Botschaft nicht durch uns selbst, nicht durch unser eigenes Leben wahr machen, nicht durch ein gottgefälliges Leben – und Gott sei dank, auch nicht unwahr machen durch unsere Verfehlungen. Nur Gott selbst kann unsere Worte beglaubigen, sie wahr machen. Nur Gott selbst kann den Riss heilen, den Zwiespalt, den garstigen Graben zwischen dem gottlosen Sünder und seinem heiligen Wort überbrücken.
Damit bleibt das prophetische Projekt notwendig unabgeschlossen; auch 40 Jahre Dienst im Auftrag des Herrn reichen nicht; Jeremia und seine Prophetengenossen können ihr Werk nicht vollenden, in alle Ewigkeit nicht. Aber sie können sagen und darauf hinweisen, was uns Menschen zum vollständig sein fehlt. Sie können ausrufen und deutlich machen, was uns heil macht. Sie können in Worten und Taten erklären, wer uns heiligt, ohne uns dabei zu Heiligen zu machen: Gott selbst nämlich, der zu uns kommt, der unser Leben und unser Leiden teilt, der sich selbst unter die verfolgten Propheten reiht.
Wenn die Propheten das hinbekommen, dass sie nicht sich selbst lehren, sondern den, der sie beauftragt, bekommt ihr schwieriges Geschäft einen Sinn. Wenn sie von sich selbst weg und auf Gott hinweisen. Wenn ihre Fehlbarkeit und ihre Sündhaftigkeit also kein Makel, sondern geradezu notwendige Bedingung ihrer Botschaft ist. Nicht ich bin der starke Held – sondern wie Jeremias sagt: der Herr ist bei mir wie ein starker Held. Nicht um mich geht es – sondern um den, von dem ich spreche. Nicht um meine angeblich bessere Gerechtigkeit, sondern allein um die gerechtmachende Gerechtigkeit Gottes. Mein Ungenügen ist die glückliche Schuld, die den Glauben an den Gott stiftet, der den Gottlosen aufhebt und zu sich nimmt. Kyrie Eleison – Herr erbarme dich – das ist der Ruf des begnadeten, gerechtfertigten Sünders.
Uns aber bleibt die prophetische Botschaft, dass nicht meine Schwäche zählt, sondern Gottes Stärke mein Leben heil macht: Der HERR ist bei mir wie ein starker Held. Amen.
Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.