„Du machst ja ein Gesicht wie die Muttergottes von Schmerlenbach!“

(Andacht für die Klausur des Nachbarschaftsraums in Schmerlenbach im Spessart, im September 2025)

Die hier im katholischen Teil des Spessarts angeblich wohlbekannte Redensart „ein Gesicht wie die Muttergottes von Schmerlenbach machen“ bezieht sich auf den leidenden Gesichtsausdruck des gotischen Gnadenbildes in der Wallfahrtskirche in Schmerlenbach. Kein künstlerisch besonders wertvolles Werk wie für ein Museum, sondern ein religiöser Kultgegenstand, der bis heute „in Betrieb“ ist. Ziemlich übertrieben – mindestens für protestantische Empfindlichkeiten ziemlich übertrieben, beinahe karikaturhaft, fast kitschig spritzen bei Jesus das Blut und bei Maria die Tränen hervor als unübersehbare Signale von Leid und Mitleid. Aber gerade seine kunstlose Naivität, seine in Marias Gesicht bildgewordene Pausbäckigkeit, nimmt für das Bild ein. Es hat gar nicht nötig, perfekt oder brillant zu sein. Wie ein Bild, das ein Kind gemalt hat, hat es andere Qualitäten als etwa die der nach demselben Thema geschaffenen römischen Pieta des Michelangelo, die doch beinahe viel zu schön ist, um sich mit ihr zu identifizieren (so schön wie dieser heldenhafte Jesus, wie die mädchenhafte Maria sind die wenigsten, die sie heutzutage im Petersdom betrachten).

Der Betrachter der Schmerlenbacher Pieta ist eingeladen, das Bild für sich zu nutzen, eigene Erfahrungen hier einzutragen und darin Trost zu empfangen: Dem Gottessohn, der Gottesmutter geht’s wie mir. Unmittelbar einleuchtend und universell anschlussfähig überträgt sich die elementare Botschaft vom leidenden Kind und mitleidenden Eltern – wer in der Welt kennt das denn nicht? -; verbindet sich mit den religiösen Prägungen unserer Lebensgeschichten, knüpft an die Geschichten der Bibel an, die wir kennen, verdichtet sich zum Konzept christlicher Nächstenliebe als wesentlichem Kennzeichen unseres Glaubens; der Nächstenliebe, die Leiden und Sterben aushält, das Liebste umarmt und in Armen hält: Niemand kann tiefer fallen als in die Hände des liebenden Gottes, der spricht: Ich will dich trösten, wie dich eine Mutter tröstet.

Dass Mitleid mehr ist als eine sentimentale Regung und Nächstenliebe anderes als ein ethisches Konzept, versucht uns die Bibel durchweg zu lehren. Als Gesinnung des Glaubens, die der Bewegung Gottes zum Leid der Menschen folgt, beschreibt Paulus sie anhand des Philipperhymnus (Philipper 2,5-11, hier: 5-8):

Seid so unter euch gesinnt, wie es der Gemeinschaft in Christus Jesus entspricht:
Er, der in göttlicher Gestalt war,
hielt es nicht für einen Raub, Gott gleich zu sein,
sondern entäußerte sich selbst und nahm Knechtsgestalt an,
ward den Menschen gleich und der Erscheinung nach als Mensch erkannt.
Er erniedrigte sich selbst
und ward gehorsam bis zum Tode, ja zum Tode am Kreuz. …

Nächstenliebe ist demnach verbunden mit dem Verzicht auf das eigene; mit dem Verzicht, auf das, was mir gehört und angeblich verdientermaßen zukommt; auf das, was ich für mich beanspruche; auf das, was ich so kostbar wie für Raubgut halte und um jeden Preis festhalten will, koste es, was es wolle – koste es mich selbst und andere, was es wolle; und selbst wenn es mir noch so sehr schadet, meinen angeblichen „Besitz“ festzuhalten, dennoch mit aller Kraft und allem Starrsinn daran festhaltend.

Anders damals der Samaritaner, den es etwas kostet zu helfen, nämlich genau das, was die anderen beiden Passanten nicht zu zahlen bereit sind. Es mag ja sogar sein, dass wir manchmal günstig mit unserem Mitleid wegkommen; aber wir müssen damit rechnen, dass unsere Knausrigkeit dem Leidenden nicht entgeht. Dahingeplappertes Mitleid tröstet nicht, das kann man sich sparen. Aber die teure Liebe tut, was sie sagt.

Aus einer gewissen, unfreiwillig neuerworbenen Expertise heraus kann ich bestätigen, dass sich mit der gesteigerten Mitleidsbedürftigkeit auch das Sensorium darüber verfeinert, welches Mitleid ernst gemeint ist, welche Nächstenliebe weiterhilft und welcher Trost tröstet. Und man könnte es das Nächstenliebe-Paradox nennen, dass die am meisten hilft, die am wenigsten verspricht, am wenigsten aus dem blauen Himmel herunter oder aus sich selbst heraus verspricht – und am wenigsten dem widerspricht, was sie tut. Je einfacher, schlichter und naiver, desto besser.

Darin trifft die kindlich-naive Pieta in Schmerlenbach ihr Thema, das Wesen des Mitleids, gerade in ihren unbeholfenen künstlerischen Mitteln und ihrer unerschütterlich schlichten Glaubensweisheit. Am Ende hilft eh nur gemeinsam aushalten, in den Armen halten, für den anderen da sein. Amen.

Lebendiger Adventskalender 2025 – Gastgeber gesucht!

Ev. Thomasgemeinde und Kath. Kirchort St. Mauritius

4 Adventskerzen, alle 4 brennen

Mit Liedern, Geschichten und Gedichten im Kerzenschein feiern wir vom 1. bis 22. Dezember an jedem Abend eine adventliche Viertelstunde vor einer Tür in der Nachbarschaft. Der Beginn ist um 19.00 Uhr.

Wenn Sie Lust haben, Gastgeberin oder Gastgeber zu sein, melden Sie sich gerne bei asmeine@gmx.de oder Tel. 0162 7474131 oder bei gerda.michaelis@gmx.de bis zum 1.11.25. Alle sind herzlich willkommen!

Sonntag nach Trinitatis, 24. August 2025

Gnade sei mit euch und Frieden von Gott unserem Vater und dem Herrn Jesus Christus. Amen.

Der Predigttext für den heutigen 10. Sonntag nach Trinitatis steht bei Markus im 12. Kapitel:

Und es trat zu ihm (zu Jesus) einer der Schriftgelehrten, der ihnen zugehört hatte, wie sie miteinander stritten. Als er sah, dass er ihnen gut geantwortet hatte, fragte er ihn: Welches ist das höchste Gebot von allen? Jesus antwortete: Das höchste Gebot ist das: »Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist der Herr allein, und du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von ganzem Gemüt und mit all deiner Kraft« 5. Mose 6,4-5. Das andre ist dies: »Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst« 3. Mose 19,18. Es ist kein anderes Gebot größer als diese.

Und der Schriftgelehrte sprach zu ihm: Ja, Meister, du hast recht geredet! Er ist einer, und ist kein anderer außer ihm; und ihn lieben von ganzem Herzen, von ganzem Gemüt und mit aller Kraft, und seinen Nächsten lieben wie sich selbst, das ist mehr als alle Brandopfer und Schlachtopfer. Da Jesus sah, dass er verständig antwortete, sprach er zu ihm: Du bist nicht fern vom Reich Gottes. Und niemand wagte mehr, ihn zu fragen. (Markus 12,28-34)

Liebe Gemeinde, liebe Schwestern und Brüder, liebe Konfirmanden!

Mal was ganz anderes vorneweg: Wer lässt sich nicht gerne ablenken?

Also gerade dann ablenken, wenn etwas zu erledigen ist, was vielleicht nicht nur Spaß macht, sondern auch anstrengend sein könnte. Holt ihr euch vorher auch noch gerne was zu trinken, schaut aus dem Fenster, macht die Lieblingsmusik an, sendet noch schnell einen Text oder schaut euch ein Bild an, wenn es eigentlich mit der Arbeit losgehen sollte? Die vorläufig gute Nachricht für uns Abgelenkte ist, dass es seit längerem einen schicken Begriff für solche Ablenkungen gibt: Multitasking. Multitasking ist – und jetzt übertreibe ich nur ein ganz klein wenig – die vornehme Version der Ablenkung.

Multitasking ist unter anderem die Vorstellung, mehrere Sachen gleichzeitig erledigen zu können; als ob ich also neben dem Aufschreiben meiner Predigt auch noch Emails erledigen und den einen oder anderen Anruf entgegennehmen könnte; oder für Schüler vielleicht etwas lebensnäher, als ob ich gleichzeitig meine Hausaufgaben erledigen (dumme Sache!), Musik hören, meine Accounts pflegen und den einen oder anderen Anruf entgegennehmen könnte. Wäre ja praktisch und zeitsparend – – – klappt aber nicht! Das war schon die schlechte Nachricht.

Denn Multitasking ist ein Gerücht: Je mehr andere Sachen nebenherlaufen, desto schlechter wird das Ergebnis der Hauptsache, die ich eigentlich machen will und soll. Klar, irgendetwas wird schon irgendwie dabei herauskommen, die Seiten werden möglicherweise gefüllt, aber vielleicht doch nicht so, wie es eigentlich möglich wäre. Je mehr Sachen laufen, desto mehr verteilt sich die Energie, desto weniger habe ich für das eine wichtige, auf das es doch eigentlich ankommt. Nicht selten habe ich, wenn ich zu viel gleichzeitig will, gar nichts in den Händen. Und es geht mir womöglich so wie den Leuten in dem alten Witz aus der alten DDR: Keine Wurst gibst gegenüber, hier gibt’s keinen Käse.

Umgekehrt: je weniger nebenherläuft, desto besser wird mein Ergebnis; das ist so sicher wie das Amen in der Kirche, was übrigens auch die Experten, die nichts mit Kirche am Hut haben, bestätigen. Die empfehlen uns bei Aufgaben und Erledigungen aller Art, uns auf eins und nur eins zu konzentrieren – one at a time. Sie empfehlen uns, unsere Energie zu fokussieren und das ganze andere Zeugs mal beiseite zu lassen.

Und genau das – diese Konzentration, diesen Fokus – empfiehlt uns heute auch der Religionsexperte, also eigentlich empfehlen es die drei Experten in Sachen Religion, die in unserem Text zu Wort kommen und glasklar übereinstimmen: Mose, der Gesetzeslehrer der Juden, dann ein weiterer jüdischer Schriftgelehrter und Jesus, ebenfalls jüdischer Schriftgelehrter, aber noch viel mehr. Jesus will ja das Beste seiner jüdischen Religion – und das ist fast alles! – für uns Nichtjuden erreichbar und hörbar machen, so dass wir daran glauben und unser Leben daran ausrichten können. Er lässt uns heute das eine Wort konzentrierten, kondensierten, fokussierten, verdichteten Glaubens hören, das uns mit unseren ganzen religiösen Aufmerksamkeitsproblemen hilft:

»Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist der Herr allein, und du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von ganzem Gemüt und mit all deiner Kraft« Und: »Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst«

Jeder fromme Jude spricht dieses Wort, den ersten Teil davon, jeden Tag. Es ist das berühmte „Schma Jisrael“, mit dem sich jeder Jude – und wenn es nach Jesus geht – eben auch jeder Christ auf den einen und einzigen Gott konzentriert und – zumindest für die Zeit des Gebets das andere Zeugs mal sein lässt. Kein Multitasking, sondern Monotasking, wie es im Lehrbuch steht. Keine Ablenkung, sondern vollen Fokus auf den einen und einzigen Gott.

Das ist – wenig überraschend und keineswegs zufällig – das Programm für den Konfirmandenkurs, der nun so richtig beginnen soll: Lasst uns gemeinsam auf Gottes Wort hören! Lasst uns gemeinsam hören und miteinander besprechen, was Gott uns zu sagen hat! Lasst uns diskutieren und herausfinden, was es für uns heißen kann, Gott zu lieben und unseren Nächsten, also unseren Mitmenschen wie uns selbst. Und lasst uns dabei mit den Experten unserer Religion – natürlich auch mit eurem Gemeindepädagogen und mit eurem Pfarrer – aber zuerst und vor allem mit Mose und Jesus und den Aposteln ins Gespräch kommen, was es mit Gottesliebe und Nächstenliebe auf sich hat.

Jetzt könnten Schlaumeier – die sich nicht so leicht ablenken lassen! – fragen: Gottesliebe und Nächstenliebe? Das sind doch schon zwei Sachen statt einer und einzigen, zu denen wir aufgefordert werde, streng genommen müsste hier doch schon ein schwerer Fall von Multitasking vorliegen. Und angeblich geht doch nur eins; entweder ich entscheide mich für die Religion, also Gott zu lieben – oder für die Menschen. Anders verfehle ich beide, oder nicht?

Tatsächlich gibt es Menschen, und durchaus welche, die sich den Anstrich von Experten geben, die genau das seit jeher behaupten.

Die z.B. sagen, dass es nicht so sehr auf den Glauben ankäme, viel wichtiger sei es doch, ein guter Mensch zu sein. Und andere umgekehrt, die sagen, dass wenn ich Gott liebe und er mich, ich mir doch eigentlich alles erlauben kann – und sei es noch die größte Schweinerei. „Gottes Freund und aller Welt Feind“, war der Wahlspruch des bösen und gefürchteten Piraten Klaus Störtebecker in der Ostsee – da waren jetzt gerade manche von uns. Und manchmal wird sogar behauptet, dass das eine das andere beschädigt oder regelrecht unmöglich macht: Wer Gott liebt, kann das Leben nicht lieben. Ist das so?

Darüber wollen und werden wir ins Gespräch kommen in der nächsten Zeit. Und wir werden gemeinsam und jeder für sich prüfen, was für uns dran ist mit der Religion, welche Antworten auf unsere Fragen die Bibel bereithält. Eine ziemlich geniale Antwort, gerade auch auf unsere Frage ist Jesus Christus, womit jetzt nicht der alte Witz aus der Schule gemeint ist, dass die Antwort „Jesus“ im Reli-Unterricht eigentlich immer stimmt (Für die, die den Witz nicht kennen oder nochmal hören wollen: Einer der Schüler, nennen wir ihn Fritzchen, ist abgelenkt und starrt aus dem Fenster, soll vorkommen. So spannend ist das jetzt gerade alles nicht. Ein Eichhörnchen hüpft vorbei. Die menschenfreundliche Lehrerin fragt: Fritzchen, was ist das? Worauf es dieser mit der Goldstandard-Antwort versucht: Jesus?)

In Jesus Christus begegnen wir Gott und den Menschen zugleich, womit sich die Frage nach verbotenem Multitasking erstmal erledigt hätte: Gottesliebe und Nächstenliebe fallen nicht auseinander, sondern ineinander. Wer seinen Mitmenschen liebt, begegnet Gott. Komplizierter wird es nicht, aber auch nicht einfacher mit dem Glauben.

Die Prognose besteht, dass wir uns auch in der kommenden Zeit des Unterrichts ablenken lassen. Ablenkungen, Abschweifungen, Störungen allerart sind zu erwarten. Aber am Ende werden wir uns von Gott rufen lassen und unter sein Wort versammeln: Gott ist die Liebe. Und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott, und Gott in ihm. Amen.

Konzert mit Orgel, Klavier und Gesang am 7. September

Plakat Konzert mit Orgel und Klavier sowie Gesang am 7.9.25 in der Thomaskirche
Plakat Konzert mit Orgel und Klavier sowie Gesang am 7.9.25 in der Thomaskirche

Wir laden herzlich ein zum Konzert mit Orgel, Klavier und Gesang am

Sonntag, 7. September 2025 um 17 Uhr in der Thomaskirche

Gabriela Blaudow, Andreas Leuck und Lisa Rau spielen bzw. singen Musik von Händel, Mozart, Michel und Dvořák. Der Eintritt ist frei, um eine Spende an die Musikerinnen wird gebeten.

Reiseerinnerung

Als wir einmal den Heiligen Vater in Rom besuchten …
Wenn dieser Gemeindebrief aus dem Druck kommt, wird längst weißer Rauch aufgestiegen und ein neuer Papst gewählt worden sein. Aber auch dann wird es gute Gründe geben, sich an Papst Franziskus zu erinnern, auch für evangelische Christen. Und für uns als Besucher der Heiligen Stadt und Teilnehmer einer Gemeindefahrt nach Rom im Januar des fernen, aber in der Erinnerung ganz nahen Jahres 2017 ohnehin. Streng antizyklisch (auch saisonal) im Jubiläumsjahr der Reformation und nachdem wir zwei Jahre zuvor Wittenberg besucht hatten, führte eine recht stattliche Gruppe aus den evangelischen Gemeinden Thomas und Versöhnung wie auch aus der katholischen St. Mauritiusgemeinde der Weg von Wiesbaden nach Rom. Das war durchaus eine Pilgerfahrt allerdings im Kleid einer ganz normalen Besuchsreise, die selbstverständlich die Sehenswürdigkeiten des antiken Rom mit Kolosseum, Forum Romanum und den Ruinen von Ostia einschloss, die wir entweder bei klirrender Kälte oder strömendem Regen, gerne auch in Kombination beider (es war ja Januar!), besichtigten.

Aber der Höhepunkt war für mich der gemeinsame Besuch von uns Evangelischen und Katholischen bei Papst Franziskus im Vatikan. Wie gewöhnlich im Winter nicht auf dem Petersplatz, sondern in der Audienzhalle links des Doms haben wir uns mit vielen anderen Besuchern eingefunden, den Papst – nun nicht hautnah, aber doch von Angesicht zu Angesicht – zu erleben. Bei allem Rummel, der wohl dazugehört, der aber auf dem Platz um einiges größer als in der Halle ist, haben wir durchaus so etwas wie eine besondere Gegenwart, etwas beinahe „Auratisches“ gespürt, ich jedenfalls. („Der Papst ist kein Fabelwesen!“, wie ein Dreijähriger auf den Schultern seines Vaters und angesichts des päpstlichen Vorgängers des Franziskus einmal so treffend bemerkte, womit er gleichzeitig recht und unrecht hatte.) Im Gespräch mit unseren katholischen Reisegefährten und Mitpilgern wie Professor Linhart, der uns ja schon oft mit seiner Frau auf unseren Pilgergängen im Rheingau geführt hatte (und der uns vor ein paar Wochen für immer verlassen hat; Gott hab´ ihn selig und tröste seine Angehörigen!), konnten selbst nüchterne Protestanten für einen Moment ahnen, was diese persönliche und gleichzeitig hochsymbolische Verbindung zu den Jüngern Jesu bedeuten kann. In den Momenten der Begegnung damals zeigte sich für uns die Menschenfreundlichkeit, Warmherzigkeit und Herzlichkeit dieses Menschen im Dienst Gottes. Werbung für die Kirche im besten Sinne. Gründe genug, uns demnächst auf den Weg auch zu seinem Nachfolger zu machen.

Trinitatis „Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist“

Vor 1700 Jahren versammelt der römische Kaiser Konstantin die Bischöfe der weltweiten christlichen Kirche in Nicäa im Westen der heutigen Türkei, um verbindlich festzulegen, was der Gegenstand christlichen Glaubens sei, insbesondere wer Christus sei im Verhältnis zu Gott, dem Vater, dem Schöpfer der Welt. Mensch oder Gott war hier die Frage, die schon seit längerem die Christen bewegte und trennte. Während die einen glaubten, dass Jesus Christus ein durch Gott beauftragter und begabter Gott-Mensch, etwa ein Prophet sei – aber eben nicht Gott selbst, glaubten die anderen, dass Jesus Christus nur als Gott verlässlich Offenbarer und Erlöser sein könnte. Und der erst kürzlich zum christlichen Glauben gekommene Kaiser Konstantin, wollte über diese Frage nicht Streit, sondern Klarheit und Einigkeit in seinem immer christlicher werdenden Reich.

Damit verdankt sich das Grundbekenntnis der meisten Christen (bis heute und fast aller Konfessionen) einem politischen, ja macht-politischen Vorgang, was durchaus interessant sein könnte in heutigen Debatten der einen oder anderen Art. In seiner ein paar Jahrzehnte jüngeren und um die Aussagen über den Heiligen Geist ergänzten Fassung, dem sogenannten „Nicäno-Konstantinopolitanum“ aus dem Jahr 381 (unten abgedruckt) steht dieses Bekenntnis noch heute in den Gesangbüchern, also nicht als verstaubte, beinahe vergessene Textreliquie, sondern zum Gebrauch in unseren Gottesdiensten. Der wird ausdrücklich empfohlen, nicht nur an den jetzt kommenden hohen Feiertagen Pfingsten und Trinitatis.

Das Bekenntnis zu Jesus Christus als Gottes Sohn und damit zum trinitarischen Gott dient zuerst und zuletzt dem Lob und der Verehrung Gottes. Es will gebetet und am besten gesungen werden, auch weil es im Wesentlichen sowieso nicht verstanden oder begriffen werden kann. Es entzieht sich – wie Gott selbst – dem Zugriff unseres Verstandes, aber es markiert die Grenzen, innerhalb derer wir Gott in Christus suchen können.

In den folgenden Worten bringen die in Nizäa versammelten Geistlichen ihren Glauben zur Sprache:
Wir glauben an den einen Gott, den Vater, den Allmächtigen, der alles geschaffen hat, Himmel und Erde, die sichtbare und die unsichtbare Welt.
Und an den einen Herrn Jesus Christus, Gottes eingeborenen Sohn, aus dem Vater geboren vor aller Zeit: Gott von Gott, Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott, gezeugt, nicht geschaffen, eines Wesens mit dem Vater; durch ihn ist alles geschaffen. Für uns Menschen und zu unserm Heil ist er vom Himmel gekommen, hat Fleisch angenommen durch den Heiligen Geist von der Jungfrau Maria und ist Mensch geworden. Er wurde für uns gekreuzigt unter Pontius Pilatus, hat gelitten und ist begraben worden, ist am dritten Tage auferstanden nach der Schrift und aufgefahren in den Himmel. Er sitzt zur Rechten des Vaters und wird wiederkommen in Herrlichkeit, zu richten die Lebenden und die Toten; seiner Herrschaft wird kein Ende sein. Wir glauben an den Heiligen Geist, der Herr ist und lebendig macht, der aus dem Vater und dem Sohn hervorgeht, der mit dem Vater und dem Sohn angebetet und verherrlicht wird, der gesprochen hat durch die Propheten, und die eine, heilige, allgemeine und apostolische Kirche. Wir bekennen die eine Taufe zur Vergebung der Sünden. Wir erwarten die Auferstehung der Toten und das Leben der kommenden Welt. Amen.

Klaus Neumann

Konfirmationsjubiläum 2025

Alle, die in den Jahren 1965, 1975 und 2000 in der Thomaskirche oder in einer anderen Gemeinde konfirmiert wurden, laden wir herzlich ein, am

Sonntag, 15. Juni um 10:00 Uhr

im Gottesdienst in der Thomaskirche das Fest der Jubelkonfirmation zu feiern. Hierbei werden der Segen und der Zuspruch erneuert.

Wir bitten um Anmeldung im Gemeindebüro und sind sehr dankbar, wenn Sie diese Einladung weiterleiten würden.

Konfirmation 2025 (1. Juni 2025 – mit Foto)

Was bleibt eigentlich jetzt noch zu sagen? Nachdem sicherlich nicht alles, aber doch so vieles gesagt wurde im vergangenen Jahr eurer Konfirmandenzeit. Bei unseren Treffen am Donnerstag, in den Gottesdiensten am Sonntag, auf den Freizeiten im Westerwald und in Waldkappel am Fuße des Hohen Meißners, ganz schön weit von hier – dort hinten im hessischen Teil Sibiriens, wo einem im Winter die Zehen abfrieren und die Sonne nicht aufgeht – ok, das war jetzt übertrieben, aber nur ein bisschen.

Es gibt Kollegen von mir, die die Versäumnisse des Konfirmandenjahres durch eine möglichst umfassende und ausführliche Konfirmationspredigt auszugleichen versuchen; auch unter dem Gesichtspunkt, dass realistischerweise Gott der Herr mir Euch heute ein – hoffentlich vorläufig! – letztes Mal in die Hand gegeben hat. Eine verständliche, aber doch wenig aussichtsreiche Taktik, der ich heute mal nicht folge.

Denn dass bei den vielen Worten, die wir bei all solchen genannten Gelegenheiten während des Konfirmandenjahres machen, notwendigerweise viel mehr ungesagt bleibt als gesagt wird, das hätte ich euch gerne vermittelt. Gott der Schöpfer ist unausschöpflich, Gott läuft über vor Leben und Liebe, läuft über vor Gerechtigkeit und Wahrheit. Herr, deine Güte reicht, soweit der Himmel ist, und deine Wahrheit, soweit die Wolken gehen.

Alle unsere Worte, selbst wenn sie einigermaßen zutreffen, können doch nie Gott selbst fassen. Aber indem unsere Worte Teil eines großen Gesprächs werden, Teil der langen Geschichte Gottes mit den Menschen werden, kommt ihnen Bedeutung und Sinn und im besten Fall Wahrheit zu. Auf andere Weise als im Gespräch mit anderen, lässt sich von Gott nichts erfahren. Und selbst wenn wir dann Teile davon aufschreiben, wie das die Menschen von alters her getan haben, wie in den Geschichten der Bibel, bleiben das Szenen und Kapitel eines langen Stroms der Erzählungen; bleiben das Teile und einzelne Gesprächsgänge des einen großen Gesprächs Gottes mit den Menschen mit Gott.

Da also alle Gottesdinge zutiefst menschlich sind, bedarf es dafür menschlicher Intelligenz; nicht ganz dieselbe, die uns bei einer Physikaufgabe hilft oder bei einer Übersetzung; aber eigentlich schon dieselbe, insofern sie eben menschlich und nicht künstlich ist; und unsere menschliche Urteilsfähigkeit stärkt. Wenn euch in religiösen Themen nicht mehr jeder jeden Quatsch erzählen kann, wäre das ein gewünschter Effekt unseres Unterrichts. Selbst denken, macht klug, auch in der Religion.

Ich persönlich finde daher die Produkte Künstlicher Intelligenz oft nicht besonders intelligent, sondern gelegentlich sogar ziemlich doof: Wissen Sie Herr Pfarrer, dass, was Sie da vorhin gesagt haben, ist ganz anders als das, was mir ChatGPT sagt – Das will ich doch hoffen!

– auch wenn die, die sich die Computerprogramme dafür ausgedacht haben, natürlich um Längen intelligenter sind als ich – allerdings auch als ihre Anwender. Aber deren Produkte spiegeln sehr deutlich wider, dass hier nicht nur Wissen, sondern auch Irrtümer gesammelt, regelrecht aufgetürmt, dann kombiniert und so präsentiert werden, dass es dem Nutzer gefallen könnte: „Halluzinieren“ und „Schleimen“ heißt das wohl im KI-Jargon; und jeder kennt beides aus der Schule.

Natürlich ist es einfacher, das haben wir alle gelernt, die Lösungen vom Nachbarn abzugucken oder sich im Extremfall einen Aufsatz schreiben zu lassen. Aber es ist offensichtlich Quatsch, das dann für meine eigenen Gedanken zu halten; obwohl ich mich auf Gedeih und Verderb für den von mir vorgelegten Quatsch verantwortlich mache. Selbst denken, macht klug, auch in der Religion.

Ein solcher Satz widerspricht witzigerweise einem verbreiteten Vorurteil über die Religion, dass sie nämlich im Nachbeten autoritärer Floskeln bestünde. Aber das ja nun gerade dann nicht, wenn doch Religion die Teilnahme an einem Gespräch ist. Und je interessanter – also interessierter, kritischer, auch selbstkritischer – die Gesprächspartner, desto interessanter das Gespräch. In manchen glücklichen Momenten haben wir das gemeinsam erlebt im vergangenen Jahr.

Es gibt wenige interessantere Gesprächspartner als die Autoren und die Figuren der Bibel; und das gerade nicht, weil die Bibel in einem nicht zu hinterfragenden Sinn wahr und deshalb fraglos zu glauben wäre. Wie gesagt, wir wollen die Bibel nicht für einen autoritären Klotz halten, den jemand aus dem Himmel wirft und damit unseren Kopf verletzt. Sondern die Bibel ist deshalb so interessant, weil sie das menschliche Gespräch Gottes mit den Menschen mit Gott notiert, und zwar über Jahrhunderte; weil es sich deshalb lohnt, in ein Gespräch mit ihnen zu treten; weil es erfüllt und regelrecht glücklich machen kann, sich von ihnen etwas sagen zu lassen. Und sei es nur ein Schnipsel aus der Bibel, wie euer Konfirmationsspruch. Manchmal steckt da so viel drin, dass es für ein ganzes Leben reicht und interessant bleibt – manchmal sogar darüber hinaus.

So ähnlich hat offensichtlich einer vor etlichen hundert Jahren gedacht, der im heutigen Frankfurt-Heddernheim, dem römischen Nida, dem „deutschen Pompeji“ zu Grabe getragen wurde. Um seinen Hals hat ein Silberamulett die Jahrhunderte überdauert, und darin eine hauchdünne, brüchige Folie mit dem ältesten Zeugnis christlichen Glaubens nördlich der Alpen. Was sich wie eine Sensation anhört, war auch eine, auch wenn vielleicht nicht genau die, zu der sie die Lokalpresse gemacht hat, dass nämlich der erste und älteste Christ nördlich der Alpen ein Frankfurter gewesen sei, frei nach dem lokalstolzen Motto des großen Friedrich Stolze: Eins geht mir net in de Kopp enei, wie kann e Mensch net von Frankfurt sei.

Also: Ob dieser Mensch im Grab aus Frankfurt war, ob das Amulett aus Frankfurt stammt, ob der Verstorbene den Text kannte oder sogar selbst lesen oder vielleicht sogar selbst schreiben konnte, kann kein Mensch wissen, aber dass dieser Text, den er bei seiner Auffindung um den Hals trug, der älteste christliche Text nördlich der Alpen und deshalb eine Sensation ist, ist nicht zu bestreiten.

Und da ich jetzt gerade keine weiteren Sensationen im Ärmel habe, und also nicht so genau weiß, was ich hier und heute noch sinnvoll sagen könnte, lese ich euch einfach einen Text aus der Bibel vor, den Predigttext für den heutigen Sonntag, das Gebet eines Apostelschülers, die Fürbitten an seine Gemeinde, meine Fürbitten für euch heute:

Deshalb beuge ich meine Knie vor dem Vater,
15von dem jedes Geschlecht im Himmel und auf Erden seinen Namen hat,
16dass er euch Kraft gebe nach dem Reichtum seiner Herrlichkeit, gestärkt zu werden durch seinen Geist an dem inwendigen Menschen,
17dass Christus durch den Glauben in euren Herzen wohne. Und ihr seid in der Liebe eingewurzelt und gegründet,
18damit ihr mit allen Heiligen begreifen könnt, welches die Breite und die Länge und die Höhe und die Tiefe ist,
19auch die Liebe Christi erkennen könnt, die alle Erkenntnis übertrifft, damit ihr erfüllt werdet, bis ihr die ganze Fülle Gottes erlangt habt.
20Dem aber, der überschwänglich tun kann über alles hinaus, was wir bitten oder verstehen, nach der Kraft, die in uns wirkt, 21dem sei Ehre in der Gemeinde und in Christus Jesus durch alle Geschlechter von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen. (Epheser 3,14-21)

Himmelfahrt 2025

Und Salomo trat vor den Altar des Herrn angesichts der ganzen Gemeinde Israel und breitete seine Hände aus gen Himmel und sprach: Herr, Gott Israels, es ist kein Gott weder droben im Himmel noch unten auf Erden dir gleich, der du hältst den Bund und die Barmherzigkeit deinen Knechten, die vor dir wandeln von ganzem Herzen; der du gehalten hast deinem Knecht, meinem Vater David, was du ihm zugesagt hast. Mit deinem Mund hast du es geredet, und mit deiner Hand hast du es erfüllt, wie es offenbar ist an diesem Tage. Nun, Gott Israels, lass dein Wort wahr werden, das du deinem Knecht, meinem Vater David, zugesagt hast.

Denn sollte Gott wirklich auf Erden wohnen? Siehe, der Himmel und aller Himmel Himmel können dich nicht fassen – wie sollte es dann dies Haus tun, das ich gebaut habe? Wende dich aber zum Gebet deines Knechts und zu seinem Flehen, Herr, mein Gott, auf dass du hörst das Flehen und Gebet deines Knechts heute vor dir: (1. Könige 8, 22-24.26-28)

Joachim Neander, dessen Name ungleich glanzloser im deutschen Original als in seiner griechischen Aufwertung klingt, Joachim Neander, liebe Schwestern und Brüder, der Dichter eines unserer populärsten Kirchenlieder, „Lobe den Herren“, hat mit Freude das Lob Gottes in die Natur unter freien Himmel getragen, so wie wir ja auch und nicht nur heute. Joachim Neander hat das „Christenergötzung im Grünen“ genannt, darin wollen wir ihm folgen.

Sein Lieblingsort im Freien war nicht der Kurpark zu Wiesbaden, sondern das liebliche Tal der Düssel, das in felsig-waldiger Gegend zum Rhein führt, nach Düsseldorf nämlich, nur dass es schon seit langem seinen, des singenden Pfarrers Namen trägt, eben das „Neandertal“.

Und so heißt übrigens der Urmensch, dessen Skelett dort ausgegraben wurde, Neandertaler; er verdankt also seinen Namen zumindest indirekt, was nicht alle wissen, dem evangelischen Dichterpfarrer Joachim Neander.

Neandertaler haben in den 40000 Jahren ihres Ausgestorbenseins eher an Popularität gewonnen. Was für uns früher die Familie Feuerstein war, sind heute für unsere Kinder die Croods, Urmenschen mit fliehender Stirn, grober Natur und schlichter Gesinnung.

„Verlasse nie die Höhle!
Hab niemals keine Angst!
Alles Neue ist schlecht!“

Dieses Lebensmotto aus dem sehr unterhaltsamen Animationsfilm The Croods über eine Familie von Höhlenmenschen aus dem Jahr 2013 (also der Film nicht die Familie!), diese Lebensregel von Höhlenmenschen klingt gelegentlich auch in uns und unter uns noch nach, so wie ja auch einige Gene der Neandertaler noch in uns wirken, die wir uns für Homo sapiens halten.

Und wenn man im Landesmuseum Darmstadt vor einer Rekonstruktion des Neandertalers steht, blickt man in den Spiegel seiner selbst – Siehe da, ein Mensch! Nicht gerade hübsch, aber halt ganz so wie wir auch.

„Verlasse nie die Höhle!
Hab niemals keine Angst!
Alles Neue ist schlecht!“

Mit diesen Regeln versucht der Familienvorstand im Film seine freiheitsliebende Tochter in der Höhle zu halten. Diese Tochter Eep scheint wie so manche Pubertierende ein wenig aus der Art geschlagen und würde viel lieber unter freiem Himmel, hinaus in die Welt, hinaus in das Leben ihrer Jugend genießen, die Gefahren der Freiheit erfahren – und bestehen, was sie mit ihrer Familie in zahlreichen haarsträubenden Abenteuern in einer sich drastisch verändernden Welt dann tatsächlich auch tut.

Von den Steinzeitmenschen lernen, heißt überleben lernen; aber eben nicht, indem wir ihnen folgen, sondern indem wir unsere eigenen, neuen Wege finden.

Denn aus den einstürzenden Altbauten unserer Gewissheiten heraus, aus dem Dunkel ins Licht, aus dem Gestern ins Morgen, aus der Höhle hinaus unter den freien Himmel – auf diesen Weg ruft uns Gott, ganz besonders an einem solchen Tag wie Himmelfahrt, wenn das reichlich unwahrscheinliche aber umso spektakulärere Wunder der Himmelfahrt seines Sohnes uns aus den Höhlen lockt („Was ist denn da wieder los?!“), unseren Blick in den Himmel lenkt, und die himmlische Freiheit der Kinder Gottes ahnen lässt. Wenn uns also zugerufen wird:

Verlasst eure Höhlen!
Fürchtet euch nicht!
Singt dem Herrn ein neues Lied, denn er tut Wunder!
Oh what a wonderful world this could be.

Diesen Weg aus der Höhle heraus unter den freien Himmel beschreibt seit sehr, sehr langer Zeit ein Gleichnis, das Höhlengleichnis des ollen Griechen Platon: Es beschreibt unsere menschliche Existenz als Gefangenschaft in einer Höhle, die wir Menschen aber für das einzige, eigentliche und wahre Leben halten. Dabei ist alles, was wir sehen und erleben nur der Schatten der Dinge, die von einem Licht außerhalb der Höhle angestrahlt werden. Wenn nun einer kommt, der uns Menschen von einem Leben draußen in Freiheit unter freiem Himmel erzählt und uns herausführen will aus unserer Höhle, wenden wir uns misstrauisch, aggressiv dagegen und beharren dummdreist auf unsere selbstverschuldete Unmündigkeit.

Denn selbstverschuldet ist sie ja, sobald wir von anderen Möglichkeiten wissen, sobald wir vom Himmel außerhalb der Höhle hören. Und so übertönen wir alsbald den Ruf der Freiheit abermals mit dem Geschrei der Unmündigkeit.

„Verlasse nie die Höhle!
Hab niemals keine Angst!
Alles Neue ist schlecht!“

Aber wer könnte dem gegenüber – dem entgegengesetzt – garantieren, dass der Rufer einer neuen Freiheit recht hat? Dieser Rufer könnte sich doch irren; er könnte sogar Böses im Schilde führen – und nicht selten führt doch gerade der angestrebte Weg in die Freiheit geradewegs ins Verderben, in noch tiefere, dunklere Höhlen zurück, gar in die Hölle hinab. Aus solchen Sorgen gespeist funktionierte die Lebensregel der Höhlenmenschen erstaunlich lange.

Neandertaler haben sich ziemlich lange gehalten – bis ihnen dann doch eine fatale Verbindung aus Klimawandel, Konkurrenz und Mitgliederschwund den Garaus gemacht hat. Man schreibt ihnen, wie immer man das belegen wollte, zu, „Fortpflanzungsmuffel“ gewesen zu sein, was aber schonmal für das unternehmungslustige Höhlenmädchen in unserem Film nicht zutrifft. Auch das kein Zufall, denn sie führt ihre Familie und uns mit ihr aus der Höhle heraus – heraus unter den freien Himmel.

Dieser Himmel, auf den wir heute aufmerksam gemacht werden, steht für Gottes ungeahnte Möglichkeiten: Siehe, der Himmel und aller Himmel Himmel können dich nicht fassen, ruft der weise Salomo in denselben. Da ist so viel mehr zwischen Himmel und Erde, als unsere Schulweisheit zu wissen glaubt. Gott und seine Möglichkeiten sind – wenn wir es denn glauben wollen – größer und weiter als unsere Ängste und Sorgen; so wie seine Liebe größer ist als unser Hass; so wie seine Gnade größer ist als unsere Schuld; seine Hoffnung so viel größer als unser Kleinmut. Davon sollen wir heute an Himmelfahrt eine Ahnung bekommen.

Höhle zu Himmel verhalten sich wie Himmel und aller Himmel Himmel – da ist immer mehr und Größeres bei Gott, auf den wir auf unserem Weg nach draußen vertrauen können. Eine Garantie, dass unsere Unternehmungen gelingen, ist das nicht, aber Grund zur Zuversicht jedenfalls.

Also, Brüder und Schwestern: Zur Sonne, zur Freiheit, zum Himmel, zum Licht, Fürchtet euch nicht!