Ev. Versöhnungsgemeinde, Ev. Thalkirchengemeinde Sonnenberg, Ev. Kirchengemeinde Rambach und Ev. Thomaskirchengemeinde

Wiesbaden
Ev. Versöhnungsgemeinde, Ev. Thalkirchengemeinde Sonnenberg, Ev. Kirchengemeinde Rambach und Ev. Thomaskirchengemeinde
(Fotos: privat)
Seid so unter euch gesinnt, wie es der Gemeinschaft in Christus Jesus entspricht:
Er, der in göttlicher Gestalt war,
hielt es nicht für einen Raub, Gott gleich zu sein,
sondern entäußerte sich selbst und nahm Knechtsgestalt an,
ward den Menschen gleich und der Erscheinung nach als Mensch erkannt.
Er erniedrigte sich selbst und ward gehorsam bis zum Tode, ja zum Tode am Kreuz.
Darum hat ihn auch Gott erhöht und hat ihm den Namen gegeben, der über alle Namen ist, dass in dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind, und alle Zungen bekennen sollen, dass Jesus Christus der Herr ist, zur Ehre Gottes, des Vaters.
(Brief des Paulus an die Philipper 2, 5-11)
Zitate sind Glückssache: So schmückt die Kuppel des wieder aufgebauten Berliner Stadtschlosses ein Spruchband mit folgendem, die Bibel zitierenden Text: „Es ist in keinem anderen Heil, ist auch kein anderer Name den Menschen gegeben, denn in dem Namen Jesu, zu Ehre Gottes des Vaters. Dass in dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind.“
Wie wir gerade gehört haben stammt der zweite Teil des Spruchs aus unserem Predigttext, diesem kleinen Stückchen aus dem Philipperbrief über den Weg des Gottessohnes in das Leiden und Mitleiden mit uns Menschen hinab. Dieses Pauluszitat über Machtverzicht und Selbsterniedrigung wird in den immer mal wieder aufflammenden Debatten über Rechtmäßigkeit und Symbolwert dieses Schlosses der Preußenkönige diskutiert.
Erst in der vergangenen Woche überschlugen sich wieder die Schlagzeilen darüber, als nämlich – Sie haben es in der Zeitung gelesen – acht Prophetenfiguren: Jesaja, Hosea, Zephania, Zacharias, Jonas, Daniel, Jeremias, Hesekiel auf das selbige Dach gehievt wurden, um dieses wie das erwähnte Spruchband zu schmücken. Während sich die einen über den wiederaufgebauten Touristenmagnet und insgesamt doch ziemlich ansehnlichen Hingucker in ihrer sonst nicht gerade durch Schönheit auffallenden Stadt freuen, kritisieren andere hart den Zierrat auf dem Dach des Schlosses und poltern: „Man muss inzwischen von einer bewussten fundamental-christlichen Unterwanderung des Stadtschlosses ausgehen, die sich bestens in die islamophoben Tendenzen der Zeit einfügt.“ (in einer Pressemitteilung der „Schlosskritiker“ Oswalt und Zimmerer, zitiert nach berliner-zeitung.de vom 19.3.2024) Für meinen Geschmack schießt diese unfreiwillig komische Kritik angesichts von acht Propheten des Alten Israel, die zuerst von Juden, erst viel später von Christen gehört und überdies weithin im Islam verehrt und teils sogar im Koran als Vorbild gelobt und empfohlen werden, deutlich über das Ziel hinaus: Zitate sind Glückssache, aber ihre Kritik eben manchmal auch.
Übrigens ist der auf dem Berliner Schlossdach zitierte Bibelvers nach Meinung der Gelehrten ebenfalls schon ein Zitat, als Schlussvers eines frommen Liedes der ersten Christen, das der Apostel Paulus hier zitiert – um die christliche Ethik des Verzichts, der Selbstbeschränkung, der Rücksichtnahme und des freiwilligen Ablegens von Privilegien am Geschick Jesu zu illustrieren.
Nach christlichem Glauben hätte es sich der Gottessohn gewiss gemütlicher machen können, eben zur Rechten Gottes sitzend, dort bleibend und alle Vorrechte seines göttlichen Geblüts genießend.
Das hat er nicht gemacht. Er hat nicht an seinem göttlichen Vorrecht wie an einem durch Raub erlangten Besitz festgehalten, Gottes Sohn zu sein und zu bleiben. Sondern er ist als erster Diener der Menschheit selbst Mensch geworden unter Verzicht auf seine göttlichen Vorrechte. Um es mit den Worten unseres Praktikanten Mattis Krauth zu sagen: „Obwohl Jesus alle Möglichkeiten hatte, die einem Gott zur Verfügung stehen, hat er darauf verzichtet, diese Möglichkeiten auch voll auszuschöpfen, d.h. er hat alle seine Rechte aufgegeben.“
Das ist ein unerhörter Gedanke, dass der Gottessohn, also Gott selbst auf seine Göttlichkeit verzichtet, mehr noch: auf sein Leben verzichtet und gleich wie wir Menschen stirbt; mehr noch: den schmählichsten, qualvollsten Tod, den sich die Folterer und Totschläger des alten Rom ausdenken konnten, auf sich nimmt: den Tod am Kreuz.
Mit dem Kreuz als Fluchtpunkt liest sich die Passionsgeschichte, insbesondere die Geschichte der heute beginnenden Karwoche als Geschichte der freiwilligen Entäußerung und der Selbsterniedrigung: Der Einzug des Gottessohnes als Bettlerkönig des gemeinen Volkes auf einem Esel; die Fußwaschung als Demutsgeste; schließlich die Duldung von Verleugnung, Verrat und Gewalt. Am Ende hängt Gott nackt, aller Rechte und Werte entkleidet, seiner Würde entblößt am Kreuz. Der, der ganz oben sein sollte, ganz unten; der Hohe ganz niedrig; der Allmächtige machtlos; der Gerechte rechtlos; der das Leben schuf, tot.
Und das soll nun uns – die wir es schon als Zumutung empfinden, einem anderen Vorfahrt zu gewähren, oder an der Tür Vortritt zu lassen – Beispiel und Vorbild sein? Verzichten auf unser gutes Recht? Verzichten auf das bisschen Macht, das wir haben? Abschied vom Grundrecht der Autonomie? Ohne Selbstbehauptung, ohne Selbstbestimmung leben? Statt sich nichts gefallen lassen – alles gefallen lassen? Wie soll das gehen in einer wie schon immer aggressiven Welt, in der der Frömmste nicht im Frieden leben kann, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt.
Ausdrücklich geht es dem Paulus hier in seiner Empfehlung – oder ist es eine Forderung? – zunächst um die Gesinnung der Christenmenschen untereinander, um die Gemeinschaft in der Gemeinde, die Verfassung der Kirche – und ganz bestimmt auch um die Beratungen zwischen den Gemeinden, wie wir sie jetzt im schnellen Takt mit unseren Nachbarn führen, um in den nächsten Jahren eine neue Gestalt für unsere Kirche zu finden. Wenigstens das Miteinander der Christen soll – laut Paulus, laut Christus – nicht als Machtfrage behandelt oder als Rechtsbeziehung betrachtet werden. Sondern: Der Stärkere hat was davon, wenn er dem Schwächeren Platz macht.
Und wie ist es nun mit dem preußischen König und dem Spruchband auf seinem Schloss? Wie eigentlich meistens kompliziert – und jedenfalls komplizierter als es seine Ankläger und auch seine Verteidiger wollen. Einerseits kann das Bibelwort schwerlich als Ausdruck eines chauvinistischen Machtanspruchs gedeutet werden, wenn es doch ganz im Gegenteil den größten denkbaren Machtverzicht zum Ausdruck bringt. Andererseits lässt sich kaum von Hand weisen, dass die preußischen Könige, deren berühmtester sich selbst als erster Diener seines Staates bezeichnete und gleichzeitig reine Machtpolitik betreiben konnte, wenig dafür taten, dieses Wort mit Leben zu erfüllen. Was vielleicht auch zu viel verlangt wäre, wenn noch der beste König zur Verwirklichung des Rechts auch die Macht dazu haben muss.
Deshalb gibt es die Propheten, die ja jetzt wieder steinern neben unserem Bibelvers auf dem Schlossdach stehen und deren vornehmste Aufgabe das Wächteramt gegenüber den Königen war und ist. Die königskritischen Texte eines Jesaja, Jeremia oder Hosea gehören jedenfalls zum Radikalsten, das sich die Mächtigen aller Zeiten anhören mussten. Sie haben gewusst und laut verkündet, dass Macht nicht als Raub betrachtet und Recht nicht als Vorrecht missbraucht werden soll. Amen.
Vortragsabend am 7.3.24 um 19.00 Uhr, Ev. Heilig-Geist-Kirche
Fotos (im Uhrzeigersinn von links oben): Dieter Paul, Klaus Neumann, Volkmar Thedens-Jekel, Sabrina Faulstich, Benjamin Dahlhoff, Dieter Paul
Das Ortskuratorium Wiesbaden der Deutschen Stiftung Denkmalschutz lädt ein: „Nachkriegskirchen in Wiesbaden“ – Ein wertschätzender Blick auf die oft wenig geachteten Kirchen, die nach 1945 erbaut wurden
Grußworte:
Begrüßung durch Pfarrer Johannes Merkel, gastgebende Ev. Martin-Luther-Gemeinde, und Begrüßung durch Dr. Brigitte Streich, Vorsitzende des Ortskuratoriums der DSD
Vorträge:
„Eine Auswahl katholischer Kirchenräume der Moderne in Wiesbaden“
Sabrina Faulstich M.A. (Kath. Erwachsenenbildung Wiesbaden-Untertaunus und Rheingau): St. Mauritius, St. Josef, Mariä Heimsuchung. Die Referentin stellt beeindruckende und faszinierende moderne Kirchenbauten vor.
„Die Wiesbadener Kirchenbauten des Architekten Rainer Schell“
Pfr. Klaus Neumann (Ev. Thomasgemeinde Wiesbaden): Ev. Erlöserkirche/Kastel, Ev. Stephanuskirche/Kostheim, Ev. Thomaskirche, Ev. Versöhnungskirche
Bildpräsentation:
„Die 14 denkmalgeschützten Nachkriegskirchen Wiesbadens im Überblick und Vergleich“ Dr. Dörte Folkers, Pfr. i.R. Volkmar Thedens-Jekel (Ortskuratorium Wiesbaden der Deutschen Stiftung Denkmalschutz)
Diskussion
Durch den Abend führt Gudrun Buhr, Architektin
Im Anschluss lädt Pfr. i.R. Dr. Martin Sauer (lange Zeit Pfarrer an der Heilig-Geist-Kirche) zu einer kurzen Führung durch die Kirche ein.
Programm: „Ich pack in meinen Koffer“
Sonntag, 24.3.24, 19.00 Uhr (Einlass 18.30 Uhr), Ev. Thomaskirche, Richard-Wagner-Str. 88
Tickets: 19 EUR für Erwachsene / 16 EUR für Kinder (10-16 Jahre); Reservierung über Thomasgemeinde.Wiesbaden@ekhn.de oder Tel. 01627474131. Abholung und Bezahlung (bar) an der Abendkasse.
Bildnachweis: www.Verlag.Buschfunk.com
Gerhard Schöne gehört zu den wenigen aus der einst stolzen und großen Schar ostdeutscher Liedermacher, deren Produktivität und Popularität auch nach 1990 ungebrochen sind. Davon zeugen nicht nur 20 Alben, sondern auch jährlich (außer 2020/21 ) um die 100 Konzerte in Ost, West und in der Mitte. In Gerhard Schönes Lieder-Koffer befindet sich eine ungewöhnliche Mischung aus Nonsens und Hintersinn, aus Fröhlichkeit und Traurigkeit, Erbauung und Zorn. Er begeistert sich und andere für konkrete Themen, sucht in der Breite nach Berührungspunkten und im Detail nach Reibungsflächen und lässt dann seine hierzulande kaum vergleichbare erzählerische Gabe in Texte und Lieder fließen. Seltener war der Gerhard Schöne in letzter Zeit als Solist, sozusagen in klassischer Liedermachertradition und mit Gitarre, zu hören. In seinen Solokonzerten breitet er das ganze Spektrum seines Liedschaffens aus: stellt ganz neue Lieder vor, singt viele eigene Klassiker und geht dabei ganz sicher auf Wünsche seines Publikums ein.
Mehr zu Gerhard Schöne unter: https://verlag.buschfunk.com/kuenstler/gerhard-schoene/
Rückblick zum ökumenischen Ausflug zum Frankfurter Städel mit Führung durch die Sonderausstellung am 6.2.24
(Fotos: K. Neumann / M. Litsch)
Sonntag, 18. Februar 2024, um 10.00 Uhr
Es ist schon eine lange Tradition, dass der Wiesbadener Knabenchor in der Thomasgemeinde gastiert, so auch in diesem Jahr: unter der Leitung von Roman Twardy werden die jungen Sänger nun den Gottesdienst am ersten Passionssonntag, 18.2., musikalisch bereichern!
Sonntag, 11. Februar 2024, um 10.00 Uhr
Am Sonntag, 11. Februar, kommt Pfarrer Thomas Hartmann von der Thalkirchengemeinde in die Thomaskirche, um mit uns Gottesdienst zu feiern: alle aus unseren Nachbargemeinden (und natürlich auch darüber hinaus) sind herzlich eingeladen! Zu diesem Anlass gibt es auch besondere musikalische Gäste, nämlich die Wiesbadener Blockflötistin Annemarie Hickethier und ihr Flötenquartett.
Naaman, der Feldhauptmann des Königs von Aram, war ein trefflicher Mann vor seinem Herrn und wert gehalten; denn durch ihn gab der Herr den Aramäern Sieg. Und er war ein gewaltiger Mann, jedoch aussätzig. Aber die Kriegsleute der Aramäer waren ausgezogen und hatten ein junges Mädchen weggeführt aus dem Lande Israel; die war im Dienst der Frau Naamans. Die sprach zu ihrer Herrin: Ach dass mein Herr wäre bei dem Propheten in Samaria! Der könnte ihn von seinem Aussatz befreien. Da ging Naaman hinein zu seinem Herrn und sagte es ihm an und sprach: So und so hat das Mädchen aus dem Lande Israel geredet. Der König von Aram sprach: So zieh hin, ich will dem König von Israel einen Brief schreiben. Und er zog hin und nahm mit sich zehn Zentner Silber und sechstausend Schekel Gold und zehn Feierkleider und brachte den Brief dem König von Israel; der lautete: Wenn dieser Brief zu dir kommt, siehe, so wisse, ich habe meinen Knecht Naaman zu dir gesandt, damit du ihn von seinem Aussatz befreist. Und als der König von Israel den Brief las, zerriss er seine Kleider und sprach: Bin ich denn Gott, dass ich töten und lebendig machen könnte, dass er zu mir schickt, ich solle den Mann von seinem Aussatz befreien? Merkt und seht, wie er Streit mit mir sucht!
Als Elisa, der Mann Gottes, hörte, dass der König von Israel seine Kleider zerrissen hatte, sandte er zu ihm und ließ ihm sagen: Warum hast du deine Kleider zerrissen? Lass ihn zu mir kommen, damit er innewerde, dass ein Prophet in Israel ist. So kam Naaman mit Rossen und Wagen und hielt vor der Tür am Hause Elisas. Da sandte Elisa einen Boten zu ihm und ließ ihm sagen: Geh hin und wasche dich siebenmal im Jordan, so wird dir dein Fleisch wieder heil und du wirst rein werden.
Da wurde Naaman zornig und zog weg und sprach: Ich meinte, er selbst sollte zu mir herauskommen und hertreten und den Namen des Herrn, seines Gottes, anrufen und seine Hand über der Stelle bewegen und mich so von dem Aussatz befreien. Sind nicht die Flüsse von Damaskus, Abana und Parpar, besser als alle Wasser in Israel, sodass ich mich in ihnen waschen und rein werden könnte? Und er wandte sich und zog weg im Zorn. Da machten sich seine Diener an ihn heran, redeten mit ihm und sprachen: Lieber Vater, wenn dir der Prophet etwas Großes geboten hätte, würdest du es nicht tun? Wie viel mehr, wenn er zu dir sagt: Wasche dich, so wirst du rein! Da stieg er ab und tauchte unter im Jordan siebenmal, wie der Mann Gottes geboten hatte. Und sein Fleisch wurde wieder heil wie das Fleisch eines jungen Knaben, und er wurde rein.
Und er kehrte zurück zu dem Mann Gottes samt seinem ganzen Gefolge. Und als er hinkam, trat er vor ihn und sprach: Siehe, nun weiß ich, dass kein Gott ist in allen Landen außer in Israel; so nimm nun eine Segensgabe von deinem Knecht. …
Er aber sprach zu ihm: Zieh hin mit Frieden!
(2. Könige 5,1-19a)
Gesundheit kostet! Und Der König von Aram lässt sich die Gesundheit seines kriegswichtigen Hauptmanns einiges kosten: zehn Zentner Silber und sechstausend Schekel Gold und zehn Feierkleider. Kostenexplosionen im Gesundheitswesen sind scheints keine modernen Erfindungen.
Gesundheit kostet, weil sie uns kostbar ist, damals wie heute. Und wenn wir sie uns etwas kosten lassen, dann erhöht das unsere Erwartung, an den, der uns gesund machen soll.
Mach mich gesund! Ist die ausgesprochene oder meist unausgesprochene Forderung an den Arzt, oder eben wie in unserer Geschichte: wisse, ich habe meinen Knecht Naaman zu dir gesandt, damit du ihn von seinem Aussatz befreist.
Dass sich der behandelnde Arzt oder in unserem Fall sein verantwortlicher Vorgesetzter davon unter Druck gesetzt fühlt, muss nicht verwundern: Bin ich denn Gott, dass ich töten und lebendig machen könnte, dass er zu mir schickt, ich solle den Mann von seinem Aussatz befreien? Merkt und seht, wie er Streit mit mir sucht! Auch die heutigen Halbgötter in Weiß sind eben doch keine Götter, die zwar mittlerweile – schrecklich genug! – entgegen ihrem Auftrag töten dürfen, aber bis auf weiteres nicht lebendig machen können. Und die besseren von ihnen bemühen sich auch gar nicht erst, diesen Eindruck ärztlicher Allmacht zu erwecken.
Andrerseits dürfen wir als Patienten ein ernsthaftes Bemühen um unsere Gesundheit erwarten und sind enttäuscht, wenn es augenscheinlich daran mangelt, wenn wir den Eindruck haben müssen, dass uns nur mit halbem Ohr zugehört wurde, dass uns ein Medikament vorenthalten oder eine Therapie verweigert wurde. Allerdings kann man sich dabei natürlich auch selbst täuschen, zumal wenn wir unserem in Apothekenrundschau und bei Dr. Google angesammelten Scheinwissen zu viel zutrauen.
Der hier in unserer Geschichte empfohlene Einsatz von reinigendem Wasserbad bei Hautkrankheiten hört sich jedenfalls ganz vernünftig an und rechtfertigt erstmal nicht die heftige Empörung des Patienten über den in seinen Augen zu wenig spektakulären hygienisch-balneologischen Rat, im Jordan zu baden, was er im zornigen Reflex verwirft: Sind nicht die Flüsse von Damaskus, Abana und Parpar, besser als alle Wasser in Israel, sodass ich mich in ihnen waschen und rein werden könnte? Und er wandte sich und zog weg im Zorn.
Aber seine Mitarbeiter, auf die er klugerweise hört, können ihn zur Badetherapie überreden. Er wird gesund und er, der Fremde, spricht – und das ist ja die Pointe unserer Geschichte – das Bekenntnis zum fremden Gott des Propheten, der ihm zu neuer Gesundheit verholfen hat, und der nun sein Gott wird: Siehe, nun weiß ich, dass kein Gott ist in allen Landen außer in Israel. Obendrein werden ihm die Kosten erlassen, was diesmal in Ordnung geht, weil dem Propheten Elisa ja selbst auch keine Kosten entstanden waren.
In Umkehrung unserer Redensart „Hauptsache gesund“, zielt unsere Heilungsgeschichte nicht auf die Kostbarkeit unserer Gesundheit, die sie natürlich keineswegs infrage stellt, sondern auf die Kostbarkeit unseres Glaubens, der uns zu neuem Leben befähigt: „Hauptsache Glauben“ will uns die Geschichte des Propheten Elisa lehren, hat sie recht?
Insbesondere als Kranke oder als ihre Angehörigen steigert sich natürlicherweise der Wert unserer Gesundheit zur Hauptsache. Sobald und solange wir krankheitshalber Einschränkungen unserer Lebensmöglichkeiten hinnehmen müssen, wird unsere Wiederherstellung uns beschäftigen. Gesundheit ist die Bedingung der Möglichkeit unseres Lebens, auch wenn uns klar ist, dass absolute Gesundheit und die Abwesenheit jeglicher Krankheit ein eher unrealistisches Ideal sind. Krankheit zeigt die Kostbarkeit von Gesundheit – und lässt sie uns schmerzvoll spüren. Das ist die Wahrheit unserer Redensart „Hauptsache gesund“.
Ihre Unwahrheit besteht darin, dass sie so tut – oder zumindest so verstanden werden kann – dass Gesundheit, also relative, „ungefähre“ Gesundheit nicht nur Bedingung, sondern auch Ziel unseres Lebens sei. Sowenig aber die wiederhergestellte Gesundheit die Pointe unserer Heilungsgeschichte ist – wie übrigens in keiner der Heilungsgeschichten der Bibel – , sowenig ist die Gesundheit die Pointe unseres Lebens. Wir leben nicht, um gesund zu sein; sondern wir sind gesund, um zu leben. Also: Die Frage nach der Gesundheit ist schon überaus wichtig; aber noch wichtiger ist die Frage nach dem Leben, dass mir meine Gesundheit ermöglicht.
Und nach der Bibel, wie wir heute hören und schon gelegentlich gehört haben, ist ein Leben zwar möglich aber nicht sinnvoll ohne den Glauben an Gott; weshalb die heutige Geschichte davon erzählt, wie der Weg aus Krankheit zu Heilung zu solchem Glauben an Gott führen kann. Sie behauptet nicht, dass es keinen anderen Weg zu Gott gäbe; und sie billigt der Krankheit auch keinen eigenen Erkenntniswert zu, als ob Krankheit und Heilung jedenfalls zu Gott führten; aber die Bibel verwendet die Heilung des Kranken als Gleichnis für unseren Weg zu Gott. In Krankheit und Heilung erlebe ich die Unverfügbarkeit meines Lebens, weder Geld noch Befehl können mich gesund machen. In der Heilung aus Krankheit empfange ich mein Leben neu – aus Gott im Glauben.
So ähnlich wird es Jesus, der selbst gelegentlich und bildhaft Arzt genannt wird, gemeint haben, wenn er sagt: Nicht die Gesunden bedürfen des Arztes, sondern die Kranken. Amen.
Es sei ein „wunderlicher Zufall“, so Felix Mendelssohn Bartholdy, Enkel des jüdischen Philosophen Moses Mendelssohn und protestantisch getauft, anlässlich seiner Wiederentdeckung von Bachs „Matthäuspassion“ 1829, „dass es ein Komödiant und ein Judenjunge sein müssen, die den Leuten die größte christliche Musik wiederbringen“. Antisemitismus in der Klassik hat eine lange Tradition, bis heute, darüber lässt sich sehr viel schreiben. In diesen Tagen aber nach dem Schock des 7. Oktober, wo er sich im Alltag in vielerlei Gestalt, offen oder subtil, wieder Bahn bricht und jüdische Nachbarn auch in deutschen Städten massiv einschüchtern will, wo der Islamismus weiter streut, der Terror sprachlos macht und der Krieg im Nahen Osten immer größere Kreise zu ziehen droht – ist es nicht an der Tagesordnung, überhaupt noch an Musik zu denken. Oder vielleicht doch?
Am 1. November findet in Leipzig bei den Mendelssohn-Festtagen ein schon vor langer Zeit terminiertes Konzert mit Mendelssohn, Elliott Carter und Beethoven statt. Nicht das Programm, sondern die Interpreten sind es, die heute aufhorchen lassen: das West Eastern Divan Ensemble, acht Mitglieder des West Eastern Divan Orchestra. Die Geschichte dieses Sinfonieorchesters begann 1999 in Weimar, der damaligen Europäischen Kulturhauptstadt, als Experiment. Mehr durch Zufall begegneten sich Daniel Barenboim und Edward Said und wurden zu aller Überraschung Freunde: der eine ist argentinisch-israelischer Dirigent, der andere, mittlerweile verstorben, war amerikanischer Kulturwissenschaftler palästinensischer Herkunft. Sie entwickelten die Idee, in Weimar einen musikalischen Sommer-Workshop zu veranstalten und dazu junge israelische, palästinensische, jordanische, ägyptische, iranische und libanesische Musikerinnen und Musiker einzuladen: mit der Vision, dass diese sich kennenlernen, gemeinsam Musikstücke erarbeiten, diskutieren, einander zuhören und selbst angehört werden, dass sie andere Narrative verstehen, ohne sie zwingend selbst annehmen zu müssen. Ein Programmpunkt des Workshops war u.a. der Besuch des KZs Buchenwald, nur 12 km von Weimar entfernt. Kurze Zeit später wurde das West Eastern Divan Orchestra mit derselben Vision gegründet und nach Goethes gleichnamiger Gedichtsammlung benannt. Seine jungen Orchestermitglieder stammen aus Israel, vielen arabischen Ländern und Spanien, sein Sitz ist in Sevilla, ein dazugehöriges Musikkonservatorium ist in Berlin ansässig. Obwohl sie sich nur einmal im Jahr für eine längere Arbeitsphase und eine anschließende Tournee treffen, konnte das Orchester eine internationale Strahlkraft entwickeln und wurde mehrfach ausgezeichnet, z.B. mit dem Rheingau Musik Preis 2020. In diesen Tagen sind fast alle Orchestermitglieder und Studierenden durch die Ereignisse familiär oder indirekt betroffen und in großer Angst, wie Daniel Barenboim und sein Sohn Michael Barenboim, Konzertmeister und Dekan der Barenboim-Said-Akademie, berichten. Die Utopie der Völkerverständigung, der Annäherung durch Musik scheint durch die stündlichen Nachrichten widerlegt. Und doch: allein die Tatsache, dass sie in dieser Zeit geprobt, sicherlich gestritten, geweint und getrauert haben, dass Konzerte noch stattfinden und sie sich in der Musik miteinander und mit dem Publikum verbinden, ist nicht nur ein Trost, eine kurzzeitige Flucht vor der Realität, sondern auch ein Beweis dafür, was wenigstens im Kleinen möglich ist. Die Musik wirkt dann als Fokus, Rahmen und Schutz, als Ventil, als Sprache ohne Worte, die alle Emotionen aufnehmen und abbilden kann. Ein solches Konzert ist hier der Konsens auf einen gemeinsamen menschenfreundlichen Nenner, ein kollektiver Atemzug, ein Aufrichten und Besänftigen und vielleicht ein Funken Hoffnung.
Anne Sophie Meine